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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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befehligte er als zweiundvierzigjähriger Brigadegeneral beim Prager Aufstand eine Division, die sich mit großem Abstand vor allen anderen Einheiten auszeichnete. Unter anderem verdiente er sich den ewigen Dank der Luftwaffe, weil er einer ihrer Einheiten aus der Patsche half. Ein viel zu kleines Kommando war in der Prager Innenstadt abgesetzt worden und sah sich von aufgebrachten Einheimischen umringt, als Nikolajew persönlich mit einer Panzerkompanie nach Prag fuhr und sie herausholte.
    Danach unterrichtete er vier Jahre lang Panzerkriegführung an der Akademie von Frunse und bildete eine ganze neue Generation von Offizieren aus, die ihn bewunderte und verehrte. 1973 wurde er als Berater nach Syrien entsandt. Es war das Jahr des Jom-Kippur-Kriegs.
    Obwohl er sich eigentlich im Hintergrund hätte halten sollen, kannte er die von der Sowjetunion gelieferten Panzer so gut, daß er einen Angriff gegen die siebte Panzerbrigade der Israelis von den Golanhöhen herab nicht nur plante, sondern sich auch selbst daran beteiligte.
    Die Syrer waren dem Gegner nicht gewachsen, aber ihre Taktik war eine Meisterleistung. Die siebte Brigade der Israelis überlebte, doch eine Weile setzten ihr die Syrer schwer zu. Die Schlacht ging als eine der wenigen in die Geschichte ein, bei denen die arabischen Panzertruppen den Israelis Probleme bereiteten.
    Dank seiner Leistungen in Syrien wurde Nikolajew in den Generalstab berufen, um eine Angriffsstrategie gegen die NATO zu entwerfen. Dann brach 1979 der Afghanistankrieg aus. Dem inzwischen Dreiundfünfzigjährigen wurde die Führung der vierzigsten Armee angeboten. Damit ging die Beförderung zum Generalmajor einher.
    Nikolajew studierte die Pläne, brütete über den Karten, sah sich die Einheimischen an und stellte in einem Bericht fest, daß eine Besetzung zu viele Opfer auf der eigenen Seite kosten würde, absolut nutzlos wäre und sich zu einem sowjetischen Vietnam entwickeln könnte. Damit reizte er Andropow zum zweitenmal.
    Erneut schickten sie ihn zur Ausbildung von Rekruten in die Wildnis. Die Generäle, die nach Afghanistan gingen, bekamen ihre Auszeichnungen und ihren Ruhm – eine Weile zumindest. Sie bekamen auch Leichensäcke, und zwar Zigtausende.
    »Das ist Schwachsinn! Das glaube ich nicht!« Der alte General schleuderte das schwarze Dokument über den Ofen hinweg auf Monks Schoß. »Sie haben Nerven, Yankee. Sie schleichen sich in mein Land ein, in mein Haus und versuchen mich mit bösartigen Lügen zu verwirren.«
    »Sagen Sie, General, was halten Sie von uns?«
    »Uns?«
    »Ja, uns. Den Amerikanern. Denen aus dem Westen. Ich bin nicht auf eigene Faust tätig. Ich bin hierhergeschickt worden. Und warum hat man mich wohl geschickt? Wenn Komarow ein so edler Mensch und großer Führer wäre, würden wir uns dann nicht einen Dreck um die ganze Sache scheren?«
    Der alte Mann starrte den Amerikaner an. Ihn schockierte nicht etwa seine Ausdrucksweise – in der Hinsicht war er Schlimmeres gewöhnt –, nein, was ihn stutzig machte, war der eindringliche Ton des jüngeren.
    »Ich weiß, daß ich mein ganzes Leben lang gegen Sie gekämpft habe.«
    »Nein, General, Sie waren nur Ihr Leben lang unser Gegner. Und Sie standen im Dienst von Regimen, von denen Sie wußten, daß sie schreckliche Dinge zu verantworten hatten.«
    »Das ist immer noch mein Land, Amerikaner. Sie riskieren Ihr Leben, wenn Sie es beleidigen.«
    Monk beugte sich vor und klopfte auf das Schwarze Manifest. »Aber das alles ist nichts im Vergleich zu dem hier. Weder Chruschtschow noch Breschnew noch Andropow – im Vergleich dazu sind sie alle harmlos.«
    »Wenn das wahr ist.«, rief der alte Soldat, ».wenn das wahr ist, könnte es trotzdem irgendwer geschrieben haben!«
    »Dann lesen Sie das hier. Darin wird geschildert, wie das Dokument in unseren Besitz gelangt ist. Ein alter Soldat hat sein Leben geopfert, um es rauszuschaffen.«
    Er reichte dem General den Prüfbericht und schenkte ihm ein Glas mit seinem eigenen Wodka ein. Der alte Mann kippte es nach russischer Art: ex und hopp.
    Acht Jahre lang sammelte der Nikolajew-Bericht über Afghanistan auf einem hohen Regal Staub an. Und erst im Sommer 1987 sollte ihn jemand aufstöbern und dem Außenminister überbringen. Im Januar 1988 verkündete schließlich Eduard Schewardnadse der Welt: »Wir ziehen uns zurück.«
    Zu guter Letzt brachte es Nikolajew doch noch zum Generalleutnant und wurde zur Koordinierung des Rückzugs aus Afghanistan eingesetzt.

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