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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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sowjetischen Diplomaten zu überwachen und die hiesigen KGB-Unternehmen abzusichern, sondern mußte auch auf westliche Ausländer achten, die vielleicht angeworben werden konnten. In dieser Funktion durfte er mit anderen Diplomaten, auch aus dem Westen, verkehren – eine Freiheit, die kein »gewöhnlicher« Russe aus dem Botschaftspersonal genoß.
    Gerade wegen dieser Bewegungs- und Kontaktfreiheit vermutete die CIA, was Turkin wirklich tat, und hatte eine schmale Akte über ihn angelegt. Aber der Mann bot keinen Angriffspunkt. Er war ein in der Wolle gefärbter Funktionär des Sowjetregimes.
    Turkin hatte den Amerikaner seinerseits in Verdacht, für die CIA zu arbeiten, denn er hatte gelernt,
alle
amerikanischen Diplomaten seien vermutlich CIA-Agenten – eine schöne Illusion, aber ein Irrtum, der den Vorteil hatte, alle Zweifel auszuschließen.
    Der Amerikaner setzte sich und streckte ihm seine Rechte hin. »Jason Monk. Sie sind Nikolai Turkin, stimmt's? Wir sind uns letzte Woche auf der Gartenparty der Engländer begegnet. Sie machen ein Gesicht, als hätten Sie gerade von Ihrer Versetzung nach Grönland erfahren.«
    Turkin betrachtete den Amerikaner. Er hatte einen weizenblonden Haarschopf, der ihm in die Stirn fiel, und ein liebenswürdiges Grinsen. Sein Gesichtsausdruck wirkte arglos; vielleicht war er doch nicht bei der CIA. Er machte den Eindruck eines Mannes, mit dem man reden konnte. An jedem anderen Tag hätte Nikolai Turkin seine jahrelange Ausbildung beherzigt und wäre höflich, aber unverbindlich gewesen. Aber dies war nicht jeder andere Tag. Er
mußte
mit irgend jemandem reden. Er begann zu sprechen und schüttete dem Amerikaner sein Herz aus. Monk reagierte besorgt und mitfühlend. Er notierte sich das Wort Melioidose auf einem Bierdeckel. Sie gingen erst lange nach Einbruch der Dunkelheit auseinander. Der Russe kehrte in seine bewachte Diplomatensiedlung, Monk in sein Apartment in der Harry Thuku Road zurück.
    Celia Stone war sechsundzwanzig, schlank, schwarzhaarig und hübsch. Außerdem war sie die Stellvertreterin des Presseattaches der britischen Botschaft in Moskau – ihr erster Auslandsposten, seit sie nach ihrem Russischstudium am Girton College in Cambridge vor zwei Jahren in den diplomatischen Dienst eingetreten war. Außerdem genoß sie ihr Leben.
    An diesem sechzehnten Juli trat sie aus dem großen Portal des Botschaftsgebäudes und sah zum Parkplatz hinunter, auf dem ihr kleiner, aber praktischer Rover stand. Von ihrem Standort aus konnte sie sehen, was Saizew wegen der hohen Stahlblechwand verborgen blieb. Sie stand auf der obersten der fünf Stufen, die zu dem asphaltierten Parkplatz hinunterführten, der von gepflegten Rasenflächen, Buschgruppen, Stauden, niedrigen Bäumen und Blumenrabatten in voller Blütenpracht umgeben war. Ein Blick über die Stahlwand zeigte ihr jenseits der Moskwa die pastellgelb, ocker, cremefarben und weiß aufgetürmte Masse des Kreml, aus der die goldenen Zwiebeltürme und Kuppeln der einzelnen Kirchen und Kathedralen die Zinnen der roten Festungswälle überragten. Ein herrliches Bild.
    Von beiden Seiten führte eine Rampe, die nur der Botschafter befahren durfte, zum Portal hinauf. Gewöhnliche Sterbliche parkten unten und kamen zu Fuß herauf. Einmal hatte ein junger Diplomat seiner Karriere erheblich geschadet, als er bei strömendem Regen die Rampe hinaufgefahren war und seinen VW-Käfer unter dem Säulenvordach geparkt hatte. Als wenige Minuten später der Botschafter eintraf, war die Zufahrt blockiert, so daß er aus dem Rolls-Royce steigen und zu Fuß hinaufgehen mußte. Er kam klatschnaß und stinksauer an.
    Celia Stone tänzelte die Treppe hinunter, nickte dem Wachmann am Tor zu, stieg in ihren hellroten Rover und ließ den Motor an. Als sie die Ausfahrt erreichte, glitt das Stahltor schon zur Seite. Sie rollte auf den Sofiskaja-Kai hinaus und bog nach links zur Steinbrücke ab, um zum Mittagessen mit einem Journalisten der Zeitung
Sewodnja
zu fahren. Sie merkte nicht, daß ein ärmlich gekleideter alter Mann ihr in verzweifelter Hast zu folgen versuchte. Und ihr war nicht bewußt, daß ihr Wagen der erste war, der die Botschaft an diesem Vormittag verlassen hatte.
    Die Bolschoi Kamjenny most oder Große Steinbrücke ist die älteste ständige Brücke über die Moskwa. Vor ihr gab es nur Pontonbrücken, die im Frühjahr errichtet und im Winter abgebaut wurden, sobald das Eis so tragfähig war, daß sie nicht mehr gebraucht wurden.
    Wegen

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