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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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könnte er seine Meinung noch einmal ändern. Denken Sie nur an all die schnellen Autos und an die Zimmermädchen am Hofe.«
    »Aber wie sähe es ohne Semjon aus? Worauf läuft es, wie unsere amerikanischen Freunde so gern sagen, letzten Endes hinaus?«
    »Mein lieber Sir Nigel, letzten Endes können die Russen jeden verdammten Kerl auf dieser Welt zu ihrem Zaren machen. So einfach ist das.«
    »Gibt es Präzedenzfälle für die Krönung eines Ausländers?«
    »Ach, viele. Es ist immer, wieder passiert. Sehen Sie, wir Engländer haben es dreimal getan. Als Elisabeth I. wenn nicht gar als Jungfrau, so doch kinderlos starb, baten wir James VI. aus Schottand, James I. von England zu werden. Drei Könige später warfen wir James II. hinaus und forderten den Holländer Wilhelm von Oranien auf, den Thron zu übernehmen. Als Königin Anne ohne Nachkommen starb, baten wir Georg von Hannover, Georg I. zu werden. Dabei konnte er kaum ein Wort Englisch.«
    »Die Festlandeuropäer haben es genauso gehandhabt?«
    »Natürlich. Die Griechen zweimal. 1833, nachdem sie sich ihre Freiheit von den Türken erkämpft hatten, forderten sie Otto von Bayern auf, König von Griechenland zu werden. Er gefiel ihnen aber offenbar nicht so recht, also baten sie Prinz Wilhelm von Dänemark, den Thron zu übernehmen. Er wurde Georg I. Dann riefen sie 1924 die Republik aus, führten 1935 die Monarchie wieder ein und schafften sie 1973 wieder ab. Sie konnten sich einfach nicht entscheiden.
    Vor einigen hundert Jahren wußten die Schweden nicht weiter, also sahen sie sich um und baten Napoleons General Bernadotte, ihr König zu werden. Hat gut funktioniert, seine Nachkommen sitzen heute noch auf dem Thron.
    Und zum Schluß noch die Norweger. 1905 baten sie Prinz Karl von Dänemark, ihr Haakon VII. zu werden, und auch seine Nachkommen sind heute noch in Amt und Würden. Wenn Sie einen leeren Thron haben und einen Monarchen wollen, ist es manchmal gar nicht schlecht, sich lieber für einen guten Außenseiter als für einen unnützen Einheimischen zu entscheiden.«
    Sir Nigel schwieg eine Weile, in Gedanken verloren. Dr. Probyn vermutete längst, daß seine Nachfragen keineswegs rein akademischer Natur waren.
    »Darf ich etwas fragen, Sir?« bat der Heraldiker.
    »Natürlich.«
    »Falls jemals die Frage einer Wiedereinführung des Zarentums in Rußland anstünde, wie würden da die Amerikaner reagieren? Ich meine, schließlich sind sie die letzte verbliebene Supermacht und halten die Hand am Geldhahn.«
    »Die Amerikaner sind traditionell antimonarchistisch eingestellt«, gab Irvine zu, »aber sie sind auch keine Dummköpfe. 1918 spielten sie eine entscheidende Rolle, als es darum ging, den deutschen Kaiser ins Exil zu schicken. Das führte zum chaotischen Vakuum der Weimarer Republik, und dieses Vakuum füllte Adolf Hitler; die Folgen kennen wir alle. 1945 nahm Onkel Sam ganz bewußt davon Abstand, das japanische Herrscherhaus aufzulösen. Das Ergebnis? Japan war fünfzig Jahre lang die stabilste Demokratie Asiens, antikommunistisch und ein Freund Amerikas. Ich glaube, Washington würde der Ansicht sein, daß es Sache der Russen ist, ob sie sich für diesen Weg oder einen anderen entscheiden.«
    »Aber müßte es dann nicht der durch Volksentscheid belegte Wille des ganzen russischen Volkes sein?«
    Sir Nigel nickte. »Ja, ich glaube, schon. Ein Beschluß der Duma allein würde nicht genügen. Zu viele Korruptionsvorwürfe. Es müßte die Entscheidung der ganzen Nation sein.«
    »Und wen haben Sie da im Sinn?«
    »Das ist ja das Problem, Dr. Probyn. Niemanden. Nach dem, was Sie mir erzählt haben, würden ein Playboy oder ein herumziehender Hochstapler wohl kaum in Frage kommen. Lassen Sie uns kurz überlegen, wie ein künftiger Zar beschaffen sein müßte. Einverstanden?«
    Die Augen des Heraldikers blitzten. »Das wäre viel faszinierender als meine übliche Arbeit. Wie steht's mit dem Alter?«
    »Vierzig bis sechzig, meinen Sie nicht? Keine Aufgabe für einen Teenager, keine für einen Greis. Reif, aber nicht zu alt. Was kommt als nächstes?«
    »Er müßte Prinz eines Herrscherhauses sein, entsprechend aussehen und einen angemessenen Lebenswandel führen«, sagte Probyn.
    »Ein europäisches Herrscherhaus?«
    »Auf jeden Fall. Ich schätze, die Russen würden sich wohl kaum mit einem Afrikaner, einem Araber oder Asiaten abfinden.«
    »Stimmt. Also ein Weißer, Doktor.«
    »Er brauchte einen lebenden, ehelichen Sohn, und beide müßten sich zur

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