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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Dörfern.
    Sie standen da im ersten Morgenlicht, alt und zerlumpt, Mütter mit Säuglingen an der Brust, das seit Potemkins Tagen unveränderte russische Landvolk mit seiner schicksalsergebenen Geduld und Passivität. Jetzt, Ende Juli, war das Wetter noch warm genug, um sie alle am Leben zu erhalten. Aber wenn dann die Kälte kam, die schneidende Eiseskälte des russischen Winters. Der letzte Januar war schlimm gewesen, aber was den nächsten betraf. Jock Macdonald schüttelte bei diesem Gedanken den Kopf und marschierte weiter.
    Sein Weg führte ihn über den Lubjankaplatz, den ehemaligen Dserschinskiplatz. Dort hatte jahrzehntelang die Statue des Eisernen Felix gestanden, der in Lenins Auftrag den ursprünglichen Terrorapparat, die Tscheka, aufgebaut hatte. Im Hintergrund des Platzes erhob sich das große grau und ockergelb gestrichene Gebäude, das einfach als Zentrale Moskau bekannt war: die KGB-Zentrale.
    Hinter dem alten KGB-Gebäude liegt das berüchtigte Lubjanka-Gefängnis, in dem unzählige Geständnisse erpreßt und zahllose Menschen hingerichtet worden waren. Nach dem Gefängnis beginnen zwei Straßen, die Große und die Kleine Lubjanka. Er nahm die zweite. Etwa in der Mitte der Malaja Lubjanka steht die St.-Ludwigs-Kirche, deren Gottesdienste von vielen Diplomaten und einigen der wenigen russischen Katholiken besucht werden.
    Zweihundert Meter hinter ihm und wegen des KGB-Blocks für ihn nicht sichtbar schliefen einige Obdachlose im geräumigen Eingangsbereich des riesigen Spielwarengeschäfts Detski mir.
    Zwei stämmige Männer in Jeans und Lederjacken betraten das Detski mir und fingen an, die Schlafenden auf den Rücken zu wälzen. Einer trug einen abgewetzten langen Militärmantel mit mehreren Orden am Aufschlag. Die Männer wechselten einen Blick, beugten sich nochmals über ihn und rüttelten ihn grob wach.
    »Heißt du Saizew?« knurrte einer der beiden ihn an. Der Alte nickte. Der andere Mann zog hastig ein Mobiltelefon aus seiner Hemdtasche, tippte eine Nummer ein und erstattete Meldung. Binnen fünf Minuten hielt ein Moskowitsch mit quietschenden Reifen am Randstein. Die beiden Männer schleppten den Alten zum Wagen, stießen ihn auf den Rücksitz und nahmen ihn dort zwischen sich. Als der Alte etwas zu sagen versuchte, bevor er hineingestoßen wurde, blinkten seine stählernen Vorderzähne.
    Der Wagen raste um den Platz, fuhr hinter dem großen Gebäude vorbei, das für die Hauptverwaltung der Allrussischen Versicherungsgesellschaft erbaut worden und später ein Haus des Schreckens geworden war, röhrte die Malaja Lubjanka hinauf und kam dort an einem britischen Diplomaten auf dem Gehsteig vorbei.
    Macdonald ließ sich von einem verschlafenen Kirchendiener das Portal aufsperren, ging im Mittelgang nach vorn und kniete vor dem Altar nieder. Er sah auf, und die Gestalt des Gekreuzigten blickte auf ihn herab. Und er betete.
    Das Gebet eines Menschen ist eine sehr private Angelegenheit, aber seines lautete folgendermaßen: »Lieber Gott, ich bitte dich, laß dieses Schriftstück eine Fälschung sein.
    Denn ist es keine, wird uns ein großes und schlimmes Übel heimsuchen.«
    Bevor jemand anderer vom Botschaftspersonal zur Arbeit kam, saß Jock Macdonald bereits wieder an seinem Schreibtisch. Er hatte eine schlaflose Nacht hinter sich, aber das hätte ihm niemand angemerkt. Als Mann, der auf seine Erscheinung achtete, hatte er die Personaldusche im Erdgeschoß benutzt, sich rasiert und das frische Hemd angezogen, das er für alle Fälle in seinem Schrank hängen hatte.
    Bruce »Gracie« Fields, sein Stellvertreter, wurde in seinem Apartment geweckt und aufgefordert, bis neun Uhr zu erscheinen Auch Hugo Gray, der diesmal in seinem eigenen Bett schlief, wurde angerufen. Um acht Uhr verständigte Macdonald das Sicherheitspersonal, zwei altgediente ehemalige Unteroffiziere der britischen Armee, damit sie die »Blase« für eine Besprechung um Viertel nach neun vorbereiteten.
    »Hier geht's darum«, erläuterte Macdonald seinen Kollegen zur festgesetzten Zeit, »daß ich gestern in den Besitz eines Schriftstücks gekommen bin. Seinen Inhalt brauchen Sie nicht zu kennen. Ich will dazu nur eines sagen: Ist das Ding eine Fälschung oder ein Schwindel, vergeuden wir unsere Zeit. Ist es dagegen echt, was wir noch nicht beurteilen können, so enthält es bedeutsame Informationen. Hugo, erzählen Sie Gracie, was wir darüber wissen, ja?«
    Gray berichtete, was er selbst wußte, was Celia Stone ihm erzählt

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