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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Gewohnheitstrinker, die sich mit dem weinerlichen Selbstmitleid von Alkoholikern darüber einig waren, die Agency behandle sie beide höchst unfair. Das war eine Fehleinschätzung, die bald viele Menschen das Leben kosten würde.
    Leonid Saizew der Hase starb, aber er wußte es nicht. Er litt schreckliche Schmerzen. Das wußte er.
    Oberst Grischin vertraute auf Schmerzen. Er verließ sich auf Schmerzen als Überredungsmittel und Strafe. Saizew hatte gesündigt, und der Oberst hatte befohlen, ihn die volle Bedeutung von Schmerzen spüren zu lassen, bevor er starb.
    Das Verhör hatte den ganzen Vormittag über gedauert, und sie hatten keine Gewalt anzuwenden brauchen, weil er auf alle Fragen bereitwillig geantwortet hatte. Der Oberst war die meiste Zeit mit ihm allein gewesen, um zu vermeiden, daß die Wachen mitbekamen, was gestohlen worden war.
    Der Oberst hatte ihn aufgefordert, fast freundlich aufgefordert, ganz von vorn anzufangen, also hatte er's getan. Er hatte seine Geschichte mehrmals wiederholen müssen, bis der Oberst bestimmt wußte, daß er nicht das Geringste ausgelassen hatte. In Wirklichkeit gab es nicht allzuviel zu erzählen.
    Erst als er erläuterte, warum er's getan hatte, machte der Oberst ein ungläubiges Gesicht.
    »Ein Bier? Die Engländer haben dir ein Bier gegeben?«
    Am frühen Nachmittag war der Oberst überzeugt, alles aus ihm herausbekommen zu haben. Er vermutete, nach ihrer Begegnung mit dieser Vogelscheuche habe die junge Engländerin das Schriftstück weggeworfen, aber das durfte er nicht ohne weiteres annehmen. Er schickte einen Wagen mit vier vertrauenswürdigen Männern los, damit sie die Botschaft überwachten und auf den roten Kleinwagen warteten. Sie sollten ihn beschatten, bis sie wußten, wo die Engländerin wohnte, und ihm dann Meldung erstatten.
    Kurz nach fünfzehn Uhr erteilte der Oberst seinen Gardisten die letzten Befehle und ging. Als sein Dienstwagen aus dem Lager fuhr, drehte ein Airbus A-300 mit den Farben der British Airways am Leitwerk über dem Norden Moskaus nach Westen ab. Er bemerkte ihn nicht. Er wies seinen Fahrer an, ihn zu der Villa in der Nähe des Kiselnyboulevards zurückzubringen.
    Sie waren zu viert. Die Beine des Hasen hätten unter ihm nachgegeben, aber weil sie das wußten, hielten zwei von ihnen seine Oberarme umklammert, damit er nicht zusammensackte. Die beiden anderen standen vor und hinter ihm. Sie gingen methodisch vor und brachten ihre Schläge wirkungsvoll an.
    Auf ihren großen Fäusten saßen schwere Messingschlagringe. Die Schläge zerquetschten seine Nieren, zerrissen seine Leber und zerfetzten seine Milz. Ein Tritt ließ seine alten Hoden zu Brei werden. Der Mann vor ihm bearbeitete seinen Bauch und nahm sich dann die Brust vor. Er wurde zweimal ohnmächtig, aber ein Eimer kaltes Wasser brachte ihn wieder zu Bewußtsein, und die Schmerzen kehrten zurück. Als seine Beine ganz versagten, hielten sie seinen ausgemergelten Körper auf den Zehenspitzen hoch.
    Kurz vor dem Ende knackten und brachen die Rippen seines schmächtigen Brustkorbs. Zwei von ihnen bohrten sich tief in seine Lunge. In seiner Kehle stieg etwas Warmes und Süßes und Klebriges auf, so daß er keine Luft mehr bekam.
    Sein Blickfeld verengte sich zu einem Tunnel, und er sah nicht mehr die grauen Hohlblocksteine eines Raums hinter der Waffenkammer des Lagers, sondern einen hellen, sonnigen Tag mit einem Sandweg zwischen Kiefern. Er konnte den Sprechenden nicht sehen, aber eine Stimme sagte zu ihm:
»Come on, mate, 'ave a beer… 'ave a beer.«
    Das Sonnenlicht verblaßte zu einem diffusen Grau, aber er hörte die Stimme weiter Worte wiederholen, die er nicht verstehen konnte.
»'Ave a beer, 'ave a beer.«
Dann gingen die Lichter endgültig aus.
Washington, Juni 1985
    Fast auf den Tag genau zwei Monate, nachdem Aldrich Ames die ersten fünfzigtausend Dollar in bar erhalten hatte, vernichtete er an einem einzigen Nachmittag fast die gesamte Abteilung SO der CIA-Hauptabteilung Beschaffung.
    Nachdem er die streng geheime Akte 301 geplündert hatte, schob er kurz vor dem Mittagessen über drei Kilo Geheimmaterial und Telegrammabschriften von seinem Schreibtisch in zwei Plastiktüten. Damit ging er durch das Labyrinth aus Korridoren zu den Aufzügen, fuhr ins Erdgeschoß hinunter und entriegelte das Drehkreuz am Ausgang mit seinem laminierten Dienstausweis. Kein Wachposten kam auf die Idee, sich für den Inhalt seiner Tragtaschen zu interessieren. Ames stieg auf dem weitläufigen

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