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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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obwohl er im Flugzeug ein Nickerchen riskiert hatte, und der Gedanke, in seinen Club zu fahren, um ein Bad zu nehmen und wieder richtig zu schlafen, war verlockend. Die Wohnung, die seiner in Moskau zurückgebliebenen Frau und ihm in Chelsea gehörte, war vermietet und stand ihm nicht zur Verfügung.
    Aber bevor er an Ruhe denken konnte, mußte der Aktenkoffer, den er noch immer am linken Handgelenk angekettet trug, erst sicher in der Zentrale verwahrt sein. Der Dienstwagen, der ihn in Heathrow abgeholt hatte, setzte ihn auf dem südlichen Themseufer vor dem Ungetüm aus Grünglas und Sandstein ab, in dem der Geheimdienst jetzt untergebracht war, seit er vor sieben Jahren aus dem schäbigen alten Century House ausgezogen war.
    Unter Anleitung des eifrigen jungen Mitarbeiters auf Probe, der ihn vom Flughafen abgeholt hatte, überwand er die Sicherheitssysteme am Eingang und konnte das Schriftstück dann endlich im Safe des Leiters der Rußlandabteilung hinterlegen. Sein Vorgesetzter hatte ihn herzlich, aber auch etwas neugierig begrüßt.
    »Drink?« fragte Jeffrey Marchbanks und deutete dabei auf einen mit Holz verkleideten Aktenschrank, der – wie sie beide wußten in Wirklichkeit eine Cocktailbar enthielt.
    »Gute Idee. Ist ein verdammt länger und harter Tag gewesen. Scotch.«
    Marchbanks öffnete die Schranktür und begutachtete seine Vorräte. Macdonald war ein Schotte, der das Nationalgetränk seiner Heimat unverdünnt trank. Der Abteilungsleiter schenkte ihm einen doppelten Macallan ein, ließ die Eiswürfel weg und gab ihm das Glas.
    »Hab' natürlich gewußt, daß du kommst – aber nicht, warum. Schieß los.«
    Macdonald erzählte seine Geschichte von Anfang an.
    »Das muß ein Schwindel sein, versteht sich«, sagte Marchbanks schließlich.
    »Auf den ersten Blick schon«, stimmte Macdonald zu. »Aber dann ist's der unsubtilste Schwindel, den ich je gesehen habe. Und wer steckt dahinter?«
    »Komarows politische Gegner, denke ich.«
    »Die hat er reichlich«, bestätigte Macdonald. »Aber was für eine verrückte Methode, uns das Ding zuzuspielen! Praktisch eine Aufforderung, es ungelesen wegzuwerfen. Der junge Gray hat's nur zufällig entdeckt.«
    »Nun, als nächstes müßte man's lesen. Du hast's schon gelesen, nehme ich an?«
    »Die ganze letzte Nacht lang. Es ist ein politisches Manifest, und der Inhalt ist. beunruhigend.«
    »Natürlich russisch geschrieben?«
    »Ja.«
    »Hmmm. Dafür reichen meine Russischkenntnisse vermutlich nicht aus. Wir müssen es übersetzen lassen.«
    »Übersetzen möchte ich's lieber selbst«, sagte Macdonald. »Nur für den Fall, daß es doch kein Schwindel ist. Du wirst sehen, was ich meine, wenn du's gelesen hast.«
    »Also gut, Jock. Die Entscheidung liegt bei dir. Was hast du vor?«
    »Zuerst in den Club. Baden, rasieren, zu Abend essen und schlafen. Gegen Mitternacht wieder hier und bis Dienstbeginn daran arbeiten. Wir sehen uns also morgen früh wieder.«
    Marchbanks nickte.
    »Gut, dann stelle ich dir am besten mein Büro zur Verfügung. Ich benachrichtige den Sicherheitsdienst.«
    Als Jeffrey Marchbanks am nächsten Morgen kurz vor zehn Uhr in sein Büro zurückkam, fand er Jock Macdonald ohne Schuhe und Sakko und mit gelockerter Krawatte auf dem Sofa ausgestreckt. Neben der schwarzen Akte auf seinem Schreibtisch lag ein Stapel weißer Computerausdrucke.
    »Das war's also«, sagte Macdonald. »In der Sprache Shakespeares. Die Diskette steckt übrigens noch im Laufwerk, aber sie sollte rausgenommen und sicher verwahrt werden.«
    Marchbanks nickte, bestellte Kaffee, setzte seine Brille auf und begann zu lesen. Eine hübsche, langbeinige Blondine, deren Eltern bestimmt Fuchsjagden ritten, brachte den Kaffee herein, lächelte und ging wieder hinaus.
    Marchbanks unterbrach seine Lektüre. »Der Mann ist natürlich übergeschnappt.«
    »Falls Komarow das geschrieben hat, dann ja. Oder verbrecherisch. Oder beides. Jedenfalls potentiell gefährlich. Lies weiter.«
    Marchbanks las weiter. Als er fertig war, blies er seine Wangen auf und atmete aus. »Das muß ein Schwindel sein. Wer das alles wirklich will, würde sich hüten, es auch nur zu Papier zu bringen.«
    »Außer er hätte vorgehabt, es nur dem engsten Kreis seiner Mitfanatiker zugänglich zu machen«, schlug Macdonald vor.
    »Also gestohlen?«
    »Möglicherweise. Oder vielleicht gefälscht. Aber wer ist der Stadtstreicher gewesen, und wie ist er an dieses Schriftstück gekommen? Das wissen wir

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