Das schwarze Manifest
Aufgabe war nichts für Dummköpfe oder Zimperliche.
Was Sir Henry unter keinen Umständen präsentieren wollte, war irgendeine überspannte Geschichte von einem Stadtstreicher, der einem noch äußerst jungen Diplomaten ein Schriftstück, das jetzt dessen Fußabdrücke trug, ins Auto geworfen hatte – ein von geistesgestörter Grausamkeit geprägtes Programm, das echt sein konnte oder auch nicht. Er wäre mit fliegenden Fahnen untergegangen, das wußte er recht gut.
»Ich fliege heute nachmittag zurück, Chef.«
»Unsinn, Jock, Sie haben zwei scheußliche Nächte nacheinander hinter sich. Sehen Sie sich eine Show an, schlafen Sie acht Stunden in einem Bett. Morgen können Sie mit der ersten Linienmaschine ins Land der Kosaken zurückfliegen.« Er sah auf seine Uhr. »Und wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen…«
Die drei verließen das Speisezimmer. Macdonald kam jedoch weder ins Theater noch ins Bett. In Marchbanks Büro lag eine Nachricht frisch aus dem Chiffrierraum. Celia Stones Apartment war aufgebrochen und völlig durchwühlt worden. Sie war vom Abendessen heimgekommen und hatte zwei maskierte Männer überrascht, von denen einer sie mit einem Stuhlbein niedergeschlagen hatte. Jetzt lag sie im Krankenhaus, war aber nicht lebensgefährlich verletzt.
Marchbanks reichte die Nachricht wortlos an Macdonald weiter, der sie ebenfalls las.
»Oh, Scheiße«, sagte er.
Washington, Juli 1985
Als der Tip kam, war er, wie so oft in der Welt der Spionage, verschwommen, stammte aus zweiter Hand und bedeutete möglicherweise nur Zeitverschwendung.
Ein amerikanischer Freiwilliger, der in der unattraktiven marxistischleninistischen Republik Südjemen für ein UNICEF-Hilfsprogramm arbeitete, machte in New York Urlaub und traf sich dort mit einem ehemaligen Klassenkameraden, der beim FBI war, zum Abendessen.
Als sie auf die umfangreiche sowjetische Militärhilfe zu sprechen kamen, die Moskau dem Südjemen gewährte, schilderte der UNICEF-Mitarbeiter einen Abend in der Bar im Rock Hotel in Aden, wo er mit einem russischen Major ins Gespräch gekommen war.
Wie die meisten dort stationierten Russen sprach der Mann praktisch kein Arabisch, sondern verkehrte mit den Jemeniten, deren Land eine britische Kolonie gewesen war, auf englisch. Weil die USA im Südjemen so unbeliebt waren, hatte der Amerikaner sich angewöhnt, sich dort als Schweizer auszugeben. Das erzählte er dem russischen Offizier.
Außer Hörweite seiner Landsleute zog der Russe, der sich immer mehr betrank, erbittert über die Führungsspitze seines Landes her. Er beschuldigte sie, massiv korrupt und kriminell verschwenderisch zu sein und bei ihren Bemühungen, die Dritte Welt zu subventionieren, keinerlei Rücksicht auf die eigene Bevölkerung zu nehmen.
Nachdem der UNICEF-Mitarbeiter diese Anekdote beim Dinner zum Besten gegeben hatte, wäre er von der Bildfläche verschwunden, wenn der FBI-Mann diese Geschichte nicht einem Freund in der CIA-Außenstelle New York weitererzählt hätte.
Der CIA-Agent beriet sich mit seinem Vorgesetzten und lud den UNICEF-Mitarbeiter dann zu einem zweiten Abendessen ein, bei dem der Wein in Strömen floß. Um zu provozieren, klagte der CIA-Mann darüber, daß es den Russen gelinge, ihre Freundschaft mit den Ländern der Dritten Welt, vor allem im Nahen Osten, immer mehr zu vertiefen.
Um seine überlegene Sachkenntnis zu beweisen, unterbrach ihn der UNICEF-Mitarbeiter mit der Feststellung, das sei keineswegs der Fall; er wisse aus eigener Erfahrung, daß viele Russen die Araber haßten und rasch darüber verärgert waren, daß sie außerstande zu sein schienen, einfache Technologien zu beherrschen, und es andererseits schafften, alle modernen Geräte und Maschinen, die man ihnen zur Verfügung stellte, in kürzester Zeit zu demolieren.
»Ich meine, sehen Sie sich das Land an, aus dem ich gerade komme.«, sagte er.
Nach dem Abendessen hatte der CIA-Agent eine Vorstellung von einer riesigen Gruppe von Militärberatern, deren Mitglieder vor Frustration nicht mehr weiterwußten und ihre Anwesenheit in der Demokratischen Volksrepublik Südjemen für sinnlos hielten. Außerdem hatte er eine Personenbeschreibung des offenbar desillusionierten Majors: groß, muskulös, ziemlich orientalische Gesichtszüge. Und einen Namen: Solomin.
Sein Bericht kam nach Langley, wo ihn der Leiter der Abteilung SO erhielt, der mit Carey Jordan darüber sprach.
»Die Sache kann belanglos, und sie kann gefährlich sein«, erklärte
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