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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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ich möchte, daß Sie noch etwas für mich tun. Danach wird der Umschlag dicker. Er enthält dann tausend Pfund.«
    In seiner Telefonzelle holte Inspektor Nowikow tief Luft. Er konnte sich nicht mal ausrechnen, wie viele hundert Millionen Rubel er für einen Umschlag dieser Art bekommen würde. Jedenfalls mehr als ein Jahresgehalt.
    »Bitte weiter.«
    »Ich möchte, daß Sie zum Personalchef in der Zentrale der UPK gehen und ihm das Foto zeigen.«
    »Wohin soll ich gehen?«
    »In die Zentrale der Union Patriotischer Kräfte.«
    »Was zum Teufel hat die damit zu tun?«
    »Keine Ahnung. Bloß so eine Idee. Vielleicht hat der Personalchef den Mann schon mal gesehen.«
    »Wieso das?«
    »Weiß ich nicht, Boris. Aber vielleicht kennt er ihn. Nur so eine Idee.«
    »Mit welcher Begründung soll ich dort aufkreuzen?«
    »Sie sind Kriminalbeamter, stimmt's? Sie haben einen Fall aufzuklären. Sie gehen einem Hinweis nach. Der Mann könnte in der Nähe der Parteizentrale gesehen worden sein. Vielleicht hat er versucht, dort einzubrechen. Hat einer der Wachmänner ihn auf der Straße herumlungern gesehen? Irgend etwas in dieser Art.«
    »Also gut. Aber das sind wichtige Leute. Fliege ich dafür raus, ist's Ihre Schuld.«
    »Warum sollten Sie dafür rausfliegen? Sie sind ein kleiner Milizionär, der seine Pflicht tut. Dieser Bandit ist in der Nähe von Komarows Villa am Kiselnyboulevard gesehen worden. Es ist Ihre Pflicht, sie darauf aufmerksam zu machen – auch wenn er schon tot ist. Vielleicht hat er versucht, eine Gelegenheit auszubaldowern. Ihnen kann nichts passieren. Tun Sie's einfach, dann gehören die tausend Pfund Ihnen.«
    Jewgeni Nowikow brummelte noch etwas und hängte dann ein.
    Diese
Anglitschanye
spinnen, sagte er sich. Schließlich hat der alte Trottel nur bei ihnen eingebrochen. Aber für tausend Pfund konnte man sich schon mal anstrengen.
Moskau, Oktober 1987
    Oberst Anatoli Grischin war frustriert – nicht anders als jemand, der den Höhepunkt seiner Karriere überschritten zu haben scheint und plötzlich nichts mehr zu tun hat.
    Die letzten Verhöre der von Ames verratenen Agenten waren längst abgeschlossen, die letzten Erinnerungen und Informationen aus den zitternden Männern herausgequetscht.
    Insgesamt hatten zwölf Männer in den modrigen Kellerverliesen des alten Lefortowo-Gefängnisses gelebt, um auf Befehl zu Vernehmungsoffizieren der Ersten und Zweiten Hauptverwaltung hinaufgebracht oder – falls sie sich widerspenstig zeigten oder an Gedächtnisverlust litten – in Grischins rückwärtigen Spezialraum gebracht zu werden.
    Obwohl Grischin dagegen protestiert hatte, waren zwei von ihnen nicht zum Tode, sondern nur zu langen Lagerstrafen verurteilt worden. Das geschah, weil sie nur sehr kurz für die CIA gearbeitet hatten oder wegen ihrer niedrigen Dienststellung nicht viel hatten verraten können. Der Rest war zum Tode verurteilt worden. Neun waren hingerichtet worden: Sie waren den kiesbestreuten Hof hinter dem abgeriegelten Gefängnisflügel hinausgeführt worden und hatten kniend den Genickschuß erwarten müssen. Bei sämtlichen Hinrichtungen war Grischin als ranghöchster Offizier anwesend gewesen.
    Nur der älteste der zwölf Verräter lebte noch, weil Grischin darauf bestanden hatte. General Dmitri Poljakow hatte zwanzig Jahre lang für Amerika spioniert, bevor er verraten wurde. Tatsächlich hatte er schon im Ruhestand gelebt, nachdem er 1980 endgültig nach Moskau zurückgekehrt war.
    Er hatte niemals Geld genommen; er hatte es getan, weil das sowjetische Regime und seine Untaten ihn anwiderten. Und er sagte es ihnen ins Gesicht. Er saß aufrecht auf seinem Stuhl und sagte ihnen, was er von ihnen hielt – und was er zwanzig Jahre lang getan hatte. Er bewies mehr Mut und Würde als alle anderen zusammen.
    Er bat niemals um Gnade. Weil er schon so alt war, waren seine Aussagen ohnehin nicht mehr aktuell. Er wußte nichts von gegenwärtigen Unternehmen und kannte nur die Namen von CIA-Führungsoffizieren, die ebenfalls schon im Ruhestand lebten.
    Als seine Verhöre abgeschlossen waren, haßte Grischin den alten General so sehr, daß er ihn für eine Sonderbehandlung am Leben ließ. Jetzt lag der Veteran auf dem Betonboden seiner Zelle in seinen Exkrementen und weinte. Grischin sah ab und zu nach ihm, um sich daran zu weiden, wie er litt. Erst am fünfzehnten März 1988 würde auch der Alte auf General Bojarows Befehl schließlich erledigt werden.
    »Tatsache ist, lieber Kamerad«,

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