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Das Schwarze Weib

Titel: Das Schwarze Weib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Wolff
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verwunderten Blick, mit dem eins das andere fragte: was haben denn nur die Eltern, daß sie so ernst und rückhaltig sind? jedes dachte: es muß ihnen etwas im Kopfe liegen, was wir nicht wissen und vielleicht nicht wissen sollen. Mit dieser Annahme täuschten sie sich nicht, aber schwerer als im Kopfe lag es den beiden Alten im Herzen, was sie heut so schweigsam machte.
    Der Bürgermeister hatte seiner Frau gestern nachmittag seine Unterredung mit dem Freiherrn mitgeteilt, und danach waren beide übereingekommen, ihrer Pflegetochter nun doch endlich zu sagen, was sie so nahe anging, denn jetzt konnte jeden Tag der Faut auf dem Abtshof erscheinen. Darauf mußte sie vorbereitet sein. Dann hatten sie beratschlagt, wer von ihnen die heikle Aufgabe übernehmen sollte, Trudi einzuweihen, ob Madlen unter vier Augen oder Christoph im Beisammensein aller vier. Sie hatten sich für letzteres entschieden und beschlossen, daß Christoph ihr die Sachlage so darstellen sollte, als handelte es sich um nichts besonders Wichtiges.
    So blieb er denn nach Beendigung des Morgenimbisses gegen seine Gewohnheit noch am Tische sitzen und fing wie ganz beiläufig an: »Nun kann ich euch auch erzählen, was gestern mein alter Freund, der Reichsfreiherr, von mir gewollt hat. Es betrifft dich, liebe Trudi. Unser Pfalzgraf hat das Wiederinkrafttreten eines alten, verschollenen Rechtes, des Wildfangrechtes, anbefohlen, wonach jeder Fremde, der in die Pfalz einwandert und sich ein Jahr lang hier aufhält, ihm oder einem seiner Vögte hörig und leibeigen werden soll. Nächstens wird es ein Jahr, daß du bei uns bist; dann wird dir der Faut seine Hand entgegenstrecken und dich als Hörige des Freiherrn von Remchingen in der Pfalz willkommen heißen.«
    Die Eröffnung schien keinen tiefen Eindruck auf Trudi zu machen. »So?« sagte sie gelassen, »das ist ja ein merkwürdiges Recht. Da ich aber als Heimatlose dank eurer Liebe und Güte hier in der Pfalz zu Gaste bin, muß ich mich auch des Landes Brauch und Ordnung fügen, und was ist denn da schlimmes dabei? Meine Eltern waren als Altarleute des Klosters Bronnbach auch Hörige, und das hat ihr Glück in keiner Weise beeinträchtigt. Der Vater mußte jede Woche einen Tag Frondienst tun, und das kann ich auch. Ob ich nun in eurem oder in einem freiherrlichen Wingert arbeite, macht ja weiter nichts aus, als daß ihr dann meine geringen Leistungen für den Tag entbehren müßt. Aber der Freiherr hat mir ja gestern versprochen, mir zu helfen, wie und wo er nur könnte; vielleicht kann er mich von dem Wildfangrecht frei machen.«
    »Nein, das kann er leider nicht; sonst würd er's gern tun,« erwiderte Christoph.
    Trudi fragte kleinlaut: »Aber er wird mich doch nicht von euch wegnehmen und auf seine Burg bringen lassen? das wäre mir schrecklich.«
    »Das glaube ich nicht; in diesem Punkt wird er sich gewiß wohlwollend und gnädig zeigen,« meinte der Bürgermeister.
    »Nun, dann wäre ja alles glatt und eben, wenn ihr mich trotzdem bei euch behalten wollt,« sprach Trudi. »Nur,« setzte sie traurig hinzu, »ich – ich muß mich vor euch schämen, denn – ich bringe euch damit Unehre ins Haus.«
    »Aber Trudi! – Unehre!« sagte Madlen. »Sind denn deine Eltern in Unehre geraten, weil sie Altarleute des Klosters waren?«
    »Nein, sie waren von allen, die sie kannten, hoch geachtet.«
    »Nun also! Du bist und bleibst unsere liebe Tochter, wenn du auch dem Gesetze nach ein Wildfang werden oder nur so heißen mußt,« suchte Madlen sie zu beruhigen, was ihr auch vollständig gelang.
    So war die Aufklärung Trudis, mit der Christoph so lange gezögert und vor der er sich mitsamt Madlen so sehr gefürchtet hatte, über Erwarten leicht und glimpflich vonstatten gegangen, und das Ehepaar war froh, daß Trudi die Sache so ruhig und gleichmütig auffaßte.
    Ammerie hatte den Erörterungen bis jetzt still zugehört, hatte mit großen, bangen Augen immer von einem zum andern, auf ihren Vater, ihre Mutter und Trudi geblickt und dabei nur einen Gedanken gehabt, dem sie nun, als die anderen schwiegen, mit den Worten Ausdruck verlieh: »Was wird Franz sagen, wenn er das erfährt?«
    Da zuckte Trudi zusammenschreckend auf und erbleichte. Die beiden Alten sahen sich betroffen an, und von keinem erfolgte sogleich eine Antwort.
    Es war Ammerie aus ihrem warmen, teilnahmsvollen Herzen unwillkürlich herausgefahren, und sich sofort inne werdend, welcherlei Empfindungen sie mit der vorschnellen Frage geweckt hatte,

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