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Das Schwarze Weib

Titel: Das Schwarze Weib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Wolff
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ungestört über ihre Zukunft nachdenken zu können. Das tat sie nun auch, und dabei kam ihr das Lästige und Kränkende, das ihr die Wandlung in ihrem Dasein aufzwang, zum Bewußtsein. Nicht die Arbeit, die man ihr zumuten könnte, scheute sie. Mehr fürchtete sie sich vor ihrer möglichen Einsperrung in die Burg, wo sie dann den Nachstellungen des Junkers ausgesetzt sein würde. Aber auch dieses Fährnis war es nicht, was ihr die meisten Sorgen verursachte. Das war etwas anderes, tiefer Eindringendes. Sie sollte ihre Freiheit verlieren, sich unter das Joch der Abhängigkeit beugen und, wenn sie nicht als Dienende auf die Burg geholt wurde, im Hause des Bürgermeisters unter Verhältnissen weiterleben, in denen sie fortan nicht mehr eine den Familiengliedern Gleichstehende war, sondern sich noch eine Stufe unter den Knechten und Mägden fühlen mußte. Wohl hatte sie's dankbar empfunden, mit welcher Behutsamkeit die beiden Armbrusters, Mann und Frau, sich bemüht hatten, ihr die Veränderung leicht und erträglich darzustellen. Aber das half ihr nicht über die Bitternis ihrer künftigen untergeordneten Stellung hinweg, in deren Abschätzung die Wachenheimer, die einen mitleidig, die anderen schadenfroh, auf sie herabsehen würden, und das noch vielleicht zum rücksichtsvoll ihr verschwiegenen Verdruß der lieben, guten Alten. Gerade diese Erwägung, in welche mißliche Lage ihre Verwandten durch sie gerieten, drückte sie fast schwerer als ihre eigene Erniedrigung. Einen Augenblick dachte sie an Flucht; aber wohin? überall in der Pfalz würde man sie ergreifen und in die Fesseln des Wildfangrechtes schlagen. Ihr fiel Lutz Hebenstreits düstere Prophezeiung wieder ein, mit der er also doch recht behalten sollte, denn das Unheil war ja nun eingetroffen. Hörig und leibeigen! hörig und leibeigen! das ging ihr beständig im Kopfe hin und her wie das ruhelose Ticktack des Pendelschwunges einer Uhr. Und mitten in diesen Kampf, der sie durchwogte, trat nun noch die folternde Frage: was wird Franz tun? wird er sich von ihr lossagen oder an ihr festhalten? Der Entscheidung hierüber sah sie wie einem Richterspruch über Leben und Tod entgegen. –
    Nachmittags kam Franz. Auf dem Hofe begegnete ihm der Bürgermeister, den er auszuforschen suchte: »Ist etwas vorgefallen, Onkel? Trudi will mich sprechen.«
    »Trudi will dich sprechen? wer hat dir das zugetragen?«
    »Ammerie.«
    »Natürlich, Ammerie!« lächelte Christoph und sagte ernst hinzu: »So geh nur hinein zu Trudi. Magst' s von ihr selber hören, was sie dir mitzuteilen hat.«
    Er weiß noch nichts, sagte sich Christoph, als Franz ins Haus getreten war. Das wird eine traurige Auseinandersetzung werden; soll mich wundern, womit sie enden wird.
    Ammerie hatte, hinter dem Vorhang eines Fensters versteckt, Franzens Ankunft erlauert, und eine Gänsehaut überlief sie, als sie ihn im Gespräch mit ihrem Vater sah, wobei es doch herauskommen mußte, daß sie ihn heimlich und ohne Auftrag hergelockt hatte. Sie hütete sich wohl, mit ihm zu Trudi ins Zimmer zu gehen und wagte auch nicht, am Schlüsselloch zu horchen. Aber sie bereute ihren Anschlag nicht, denn Trudi mußte Klarheit haben, und die konnte ihr nach Ammeries heiligster Überzeugung niemand so schnell und sicher wie sie verschaffen, indem sie ihr den Franz zu hochnotpeinlicher Vernehmung zur Stelle lieferte. Sie war also sehr zufrieden mit sich und tat sich auf ihre findige Eingebung und rasche Entschlossenheit viel zugute.
    Franz schien die Sache nicht recht geheuer. Trudi mußte ihm doch etwas Wichtiges mitzuteilen haben, worüber Onkel Christoph nicht mit der Sprache heraus gewollt hatte. Beklommenen Herzens stieg er die Treppe hinan und klopfte an die ihm wohlbekannte Zimmertür der beiden Mädchen. Trudis Stimme war es, die ihn eintreten hieß.
    Die dort einsam Sitzende fuhr erschrocken auf, als sie ihn so völlig überraschend vor sich sah. Zögernden Schrittes kam sie ihm entgegen und suchte in seinen Augen zu lesen, was ihn hergeführt haben möchte. Ebenso wie er war sie auf eine trübselige Nachricht gefaßt.
    Er umfing sie traut und innig und begann: »Du wünschtest mich zu sprechen, Liebste?«
    »Das zwar nicht,« erwiderte sie, den Zusammenhang sofort erratend, »aber ich freue mich, daß du gekommen bist, denn ich habe allerdings mit dir zu reden. Bitte, nimm Platz.«
    Als beide saßen, offenbarte Trudi dem Geliebten, nicht mit Seelenruhe, aber doch mit Seelenstärke, das sie unentrinnbar

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