Das Schwarze Weib
alten Fuchse schon auf manchem Schleichwege geleuchtet hatte und ihm jetzt ein Gesicht schnitt, über dessen Ausdruck der bedächtig zu ihm Aufblickende in Zweifel war. Wollte der verschwiegene Mitwisser so vieler Heimlichkeiten ihn zu den vorhabenden Schritten anreizen oder ihn davor warnen? Ihm war, als hauchte der Nachtwind von oben her den beherzigenswerten Wink ins Ohr: hüte dich, Hammichel, daß du nicht die eigene Haut zu Markte trägst und selbst in die Grube fällst, die du einem andern graben willst! Aber da flog, weit rechts vom Monde, eine Sternschnuppe. »Huihui!« lachte er, »das war mir ein Fingerzeig, ein Vorbild. Einer, der sich in den Schwächen der Menschen auskennt wie auf den verschlungenen Pfaden des Westricher Waldes, der läßt sich so wenig fangen, wie das Kometlein, das da durchs Weltall flitzt.« Und im Vertrauen auf seine Geschicklichkeit in der Behandlung von gefährlichen und verbotenen Dingen trottete er heimwärts und kroch, behaglich schnurrend wie ein alter Kater, in sein armseliges Bett. –
Am andern Morgen stand Vinzenz Ebendorffer dem Bürgermeister in dessen Amtsstube gegenüber. Christoph Armbruster hielt ein Pergamentblatt in der Hand, das in sauberer Mönchsschrift die Sendung Ebendorffers, auf Trudi zu fahnden, klerikalamtlich bestätigte und mit dem klösterlichen Siegel versehen war. Er hatte das Skriptum gelesen und reichte es nun dem Meier zurück, indem er kühl und gelassen sagte: »An Eurer Beglaubigung ist weiter nichts auszusetzen, als daß Euch zur Vollstreckung dieses Haftbefehls zweierlei mangelt, erstens das Recht und zweitens die Macht.«
»Die Macht wird zur Vollstreckung bereit sein, sobald ihre Anwendung nötig wird, und das Recht dazu werdet Ihr mir wohl nicht bestreiten, Herr Bürgermeister,« sprach Ebendorffer hochfahrenden Tones.
»Mit aller Entschiedenheit tu ich das,« ließ ihn Christoph hart an, von dem allzu sichern und selbstbewußten Auftreten des jüngeren Mannes unangenehm berührt. »Wer gibt denn Euch oder Eurem Abte das Recht, meine Anverwandte aus meinem Hause, in dem sie ihre zweite Heimat gefunden hat, hinwegzunehmen?«
»Ihre Eltern waren Altarleute des Klosters, ihm also untertan und zu Frondienst auf dem Meierhofe, dessen Verwalter ich bin, verpflichtet. Und wie es ihre Eltern waren und ihr Stiefvater heute noch ist, so ist es auf Lebenszeit auch ihre Tochter,« behauptete Ebendorffer dreist.
»Die Verpflichtung zum Frondienst ist an den Besitz des klösterlichen Lehngutes zu Gamburg gebunden,« entgegnete Christoph. »Trudi Hegewald hat aber auf diesen Besitz verzichtet und erhebt keinen Anspruch mehr darauf. Damit ist sie unabhängig vom Kloster und aller Lasten ledig.«
»Dies Pergament beweist Euch das Gegenteil,« gab Ebendorffer trotzig zur Antwort. »Ich bin der Vertreter und Bevollmächtigte des nachjagenden Herrn, der das unantastbare Recht hat, eine aus seinem Gebiet Entflohene zur Rückkehr in ihre angeborene Untertänigkeit zu zwingen, und dazu bin ich hergekommen. Hinter mir steht der hochwürdige Abt von Bronnbach und hinter dem Abte Seine Gnaden der Bischof von Würzburg.«
»Mir hat kein Abt und kein Bischof etwas vorzuschreiben,« erklärte der Bürgermeister stolz und hochaufgerichtet mit zornig gefurchter Stirn. »Und auf die großen Worte, die Ihr im Munde führt, sag' ich Euch: ich glaube nicht, daß der Abt hinter Euch steht, sondern glaube, daß Ihr Euch hinter den Abt, von dem Ihr diese Vollmacht erschlichen habt, falsch und feige verkriecht, weil Ihr Trudi in Eure eigene Gewalt zwingen wollt. Man kennt Eure ruchlosen Absichten auf das Mädchen.«
Der Rothaarige geriet in sichtliche Verlegenheit, denn er fühlte sich von der schweren Anklage, die ihm der Bürgermeister ins Gesicht schleuderte, getroffen. Doch er faßte sich schnell und erwiderte grob: »Der Eurigen wird sie jedenfalls entzogen werden.«
»Versucht's einmal!« warf Christoph spöttisch hin.
»Ihr unterschätzt die Kräfte, über die wir zur Durchführung unseres Willens verfügen,« hielt ihm Ebendorffer hochmütig entgegen, »und wenn Ihr Euch dem verbrieften Rechte nicht –«
»Ah, jetzt kommt Ihr wohl mit der Macht, die Ihr gegen mich gebrauchen wollt?« unterbrach Christoph den Unklugen und maß ihn mit einem verächtlichen Blicke. »Nun, auf deren Entfaltung bin ich in der Tat neugierig, aber bedenkt es wohl, Mann! wir haben hier in einem festen Turme stille Kämmerlein mit schwedischen Gardinen, und draußen vor dem Tore
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