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Das Schwarze Weib

Titel: Das Schwarze Weib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Wolff
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fest, daß er nicht wieder zu ihr eindringen konnte. Von innen hörte sie noch des Geliebten fröhliches Lachen draußen auf dem Vorraum.
    Wie berauscht mußte sie sich auf einen Stuhl niederlassen. Ihr wogte die Brust, ihr bebten die Glieder, und in wonnesamer Traumverlorenheit schloß sie die Augen. Plötzlich aber nahmen ihre Gedanken, die – sie wußte nicht, wie lange – in schmeichelnden Bildern der Zukunft geschwelgt hatten, einen anderen Weg. Inmitten der schwärmenden Sehnsucht nach dem winkenden Glücke hatte sie vergessen, wo sie war, – im Hause der Armbruster, in deren Gastlichkeit und Herzlichkeit sie sich ein Jahr lang gesonnt hatte und die sie treulos verlassen wollte. Aber sie mußt' es ja tun, um den Fesseln des Wildfangrechtes zu entrinnen und in Lust und Leid, aber auch in Freiheit dem Manne zu folgen, ohne den sie nicht mehr leben konnte. Sie sann nun darüber nach, auf welche Weise sie ihnen den Entschluß, mit Franz in die Fremde zu ziehen, verkünden sollte. Heute vermochte sie das nicht, morgen wollte sie's tun, aber wie? wie?
    Aus ihrem Grübeln weckte sie die Stimme Ammeries, die sie zu Tische rief. Schnell raffte sie sich auf, kühlte sich die immer noch glühenden Wangen und schritt die Treppe langsam hinab, um sich auf dieser kurzen Strecke möglichst zu beruhigen, ehe sie den Ihrigen unten gegenübertrat.
    In der Wohnstube fand sie die ganze Familie versammelt, und man setzte sich, jeder an seinen gewohnten Platz. Gesprochen wurde wenig, denn die Alten wie die Jungen erwarteten zunächst eine Mitteilung von Trudi über ihre Verabredung mit Franz, dessen zwei letzten Besuche sie bemerkt hatten. Aber Trudi äußerte sich darüber nicht, war oft nachdenklich und zerstreut. Eine Frage richtete niemand an sie; alle saßen im Bann einer dumpfen Beklemmung.
    Dieser Bann sollte auf eine ungeahnte Weise gelöst werden. –
    Als das Mittagsmahl fast zu Ende war, trat Schneckenkaschper mit seinem Patz unvermutet ins Zimmer.
    »Aber Junge,« rief Madlen, »warum kommst du nicht ein halb' Stündchen früher? dann hättest du doch mitessen können.«
    »O Mütterle, 's ist noch genug übrig,« sprach Ammerie. »Ich kratz' alles zusammen, die beiden sollen auch noch satt werden.«
    Kaspar näherte sich Trudi und fragte: »Trudi, heißt du mit Vatersnamen Hegewald?«
    »Ja, mein Vater hieß Hegewald,« erwiderte Trudi; »wie kommst du darauf?«
    »Ein Fremder hat mich gefragt, ob hier im Ort ein Mädchen Namens Trudi Hegewald aus Gamburg wohnte,« berichtete Kasper.
    »Ein Fremder?« wiederholte Trudi völlig arglos; »wie sah er denn aus?«
    »Wie ein Jägersmann, im Lederkoller, Weidmesser an der Seite, gestiefelt und gespornt, mit rotem Haar und Bart und einem runden Fleck auf der linken Backe, wie von einem Schuß.«
    »Barmherziger Himmel!« schrie Trudi auf, »das ist der Vinzenz Ebendorffer aus Bronnbach. Er will mich holen, und ich muß ihm folgen, denn als Klostermeier hat er Gewalt über mich.«
    Starres Schweigen folgte den im höchsten Schreck ausgestoßenen Worten, weil alle ihren Sinn verstanden hatten und sofort begriffen, was die Ankunft dieses Fremden für Trudi bedeutete.
    Selbst dem Jungen dämmerte die Erkenntnis, daß hier eine Gefahr für Trudi im Anzuge war, und er nahm sich vor, dem Tun und Treiben des Zugereisten auf Schritt und Tritt nachzuspüren.
    Der Bürgermeister faßte sich zuerst und fragte: »Was hast du dem Mann geantwortet?«
    »Ich hab' ihm gesagt, eine Namens Hegewald wäre mir unbekannt,« erwiderte Kasper, »denn ich traute dem Späher nichts Gutes zu. Patz knurrte und bellte ihn wütend an, und der ist klug, o so klug; der sieht und riecht es gleich jedem Menschen an, ob er brav oder bös ist.«
    »Ja, Schneckenkaschper, deinen klugen Patz in Ehren!« sprach Christoph, »aber der Rothaarige wird uns doch auskundschaften und sich bald genug bei mir melden.« Ihm fiel sofort ein, was ihm der Schultheiß von dem nachjagenden Herrn gesagt hatte, der aus seinem Gebiet entwichene Hörige zurückzufordern befugt und berechtigt sein sollte. Da war nun ein Abgesandter des nachjagenden Herren, des Abtes von Bronnbach, der ohne Zweifel Trudi holen wollte. Zu seinem Sohne sagte Christoph: »Halt' dich in den nächsten Tagen zu Hause, Peter, damit du den Mann, falls er in meiner Abwesenheit kommt, gebührend empfangen kannst.«
    »Werd' ihn empfangen, Vater!« erwiderte Peter mit einem viel verheißenden Lächeln.
    »Und ich bleib' auch auf alle Fälle bei dir, Trudi!«

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