Das Schwebebahn-Komplott
ist ja furchtbar.«
Sie blickte zu Karin auf und rollte mit den Augen.
»Ausgerechnet jetzt. Scheißkarre«, sprach sie in
den Hörer und nickte. »Mist. Ja, sicher. Ich komme
sofort.« Damit hängte sie ein.
Bevor Karin Fragen
stellen konnte, sprang Heike auf und griff nach ihrer Handtasche.
»Es ist etwas Furchtbares geschehen. Ich muss sofort
los.« Damit ließ sie die Kollegin achtlos
zurück.
»Uuups«,
machte Karin, als sie zu ihrem Schreibtisch in der
Nachrichtenredaktion zurückging. »Da muss aber wirklich
der Teufel los sein.«
*
Mit ihrem Twingo hatte
sie die Loher Straße kaum zehn Minuten später erreicht.
Das Erste, was sie sah, als sie von der Friedrich-Engels-Allee nach
rechts abbog, war dichter Rauch und zuckendes Blaulicht. »Da
ist ja richtig was los«, murmelte sie und brachte den kleinen
Wagen neben einem uniformierten Polizisten zum Stehen, der sie
angehalten hatte.
»Die
Straße ist kurzfristig gesperrt«, erklärte der ihr
mit äußerst wichtiger Miene. »Es ist besser, wenn
Sie einen Umweg fahren - das hier kann dauern.«
Heike machte auf dumm.
»Was ist denn los?«
»Ein
Feuer«, verriet der Polizist ihr. »Es brennt in der
Schwebebahnstation.«
Jetzt grinste die
Reporterin und wühlte in ihrer Handtasche, die sie auf den
Beifahrersitz geworfen hatte, nach dem Presseausweis.
»Ich komme von
der Wupperwelle«, sagte sie dann. »Dürfte ich mir
einen Überblick über das Geschehen verschaffen?«
Sie präsentierte ihm das eingeschweißte
Kärtchen.
Der junge Polizist,
sie schätzte ihn auf Anfang zwanzig, studierte den Ausweis
aufmerksam, als hänge von der Lektüre der Rest seiner
beruflichen Laufbahn ab. Dann nickte er. »Natürlich. Nur
der Wagen«, er schüttelte den Kopf, »der muss zur
Seite.«
»Ist
gebongt.« Heike bejahte und schenkte ihm einen
Augenaufschlag, der den jungen Knaben glatt erröten
ließ. Dann legte sie den Gang ein und fuhr den Twingo vor die
kleine Kebabbude am Fuße der Schwebebahnstation. Als sie
ausstieg, lähmte der beißende Brandgeruch ihre
Atemwege.
Feuerwehrwagen standen
mitten auf der Straße; ein Leiterwagen parkte vor einer
Fußgängerinsel und hatte die Leiter zur
Schwebebahnstation ausgefahren. Die Pumpen liefen mit voller Kraft,
und überall rannten Feuerwehrleute wie aufgescheuchte
Hühner herum.
Plötzlich tauchte
eine Vision, eine traumatische Kindheitserinnerung auf: Vor Jahren
hatte es in der Wohnung ihrer Eltern gebrannt, und seitdem hatte
Heike eine panische Angst vor Feuer. Die Härchen auf ihren
Unterarmen richteten sich auf. Ihre Kopfhaut zog sich zusammen, als
sie den beißenden Brandgeruch wahrnahm. Alles war wie
früher. Nie würde sie den schrecklichen Brand im
Elternhaus vergessen, bei dem sie nur knapp dem Tode entkommen
war.
Es nutzte nichts:
Augen zu und durch, Gefühle abschalten und ganz Journalistin
sein. Sie schritt weiter vor. Was für Heike wie ein heilloses
Chaos aussah, war das Resultat einer durchorganisierten Truppe. Wie
sie von einem Feuerwehrmann erfuhr, hatte man den Brand unter
Kontrolle, und es konnte nicht mehr lange dauern, bis der
Bahnverkehr wieder aufgenommen wurde. Der Mann schickte sie zum
Einsatzleiter; Brandmeister Schulze. Dieser war so groß und
breit, dass Heike sich fragte, ob seine Feuerwehrmontur eine
Sonderanfertigung sei. Die Stirn war fliehend, das Kinn kantig, und
die blauen Augen unter den buschigen Augenbrauen musterten die
blonde Reporterin aufmerksam.
»Die Bahn
fährt nicht?«, fragte sie den Brandmeister.
Der lachte. »Sie
sind gut. Glauben Sie ernsthaft, wir lassen Schwebahnzüge
durch einen brennenden Bahnhof rollen?«
»Nein, das
leuchtet ein.« Heike nagte auf der Unterlippe. Die Bahn stand
still. War es nicht gerade das, was die Erpresser erreichen
wollten? Sie wollten den Bahnverkehr behindern und den
Schwebebahnbetrieb zum Erliegen bringen. Nun: Steckte die Bewegung
12. April tatsächlich hinter dem Brand, dann hatte sie Erfolg
gehabt.
»Gibt es
Verletzte?«, fragte sie Schulze, der an einem
Gerätewagen herumhantierte. Er blickte sich kurz um und
schüttelte den Kopf. »Nur zwei meiner Leute. Leichte
Rauchvergiftung, wissen Sie? Nichts Besonderes, sie sind schon im
Klinikum. Der Bahnsteig war ja menschenleer, als es
losging.«
Überall standen
Schaulustige herum und waren in aufgeregte Gespräche
verwickelt. Die Autos standen kreuz und quer auf der Loher
Straße.
»Wer sind Sie
überhaupt?«, fragte der Brandmeister nun.
»Göbel, von
der
Weitere Kostenlose Bücher