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Das Schweigen der Laemmer

Das Schweigen der Laemmer

Titel: Das Schweigen der Laemmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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auf der Stelle beantworten, ob Sie es wollen oder nicht: Sind Sie stark genug, die -
    ses dynamische Wahrnehmungsvermögen auf sich selbst zu richten? Es ist schwer, dem zu begegnen. Ich habe das in den letzten paar Minuten herausgefunden. Wie steht's? Schauen Sie sich an und schreiben Sie die Wahrheit nieder. Was für eine passendere oder komplexere Versuchsperson könnten Sie finden? Vielleicht haben Sie aber auch vor sich selbst Angst.«
    »Sie sind zäh, nicht wahr, Officer Starling?«
    »Einigermaßen, ja.«
    »Und es würde Ihnen sehr mißfallen, sich für gewöhnlich zu halten. Würde das nicht weh tun? Meine Güte! Nun, Sie sind weit davon entfernt, gewöhnlich zu sein, Officer Starling. Sie haben einzig und allein Angst davor. Wie sehen Ihre Steckperlen aus, sieben Millimeter?«
    »Sieben.«
    »Lassen Sie mich einen Vorschlag machen. Besorgen Sie sich einige lose durchbohrte Tigeraugen und reihen Sie sie abwechselnd mit den Goldperlen auf. Vielleicht wollen Sie sie zwei-und-drei oder eins-und-zwei aufziehen, was immer Ihnen am besten erscheint. Die Tigeraugen nehmen die Farbe Ihrer eigenen Augen und die blonden Strähnen in Ihrem Haar auf. Hat jemand Ihnen je eine Valentinskarte geschickt?«
    »Ja.«
    »Wir sind schon in der Fastenzeit. Valentinstag ist bereits in einer Woche, hmmmm, erwarten Sie welche?«
    »Man kann nie wissen.«
    »Nein, das stimmt... Ich habe über den Valentinstag nachgedacht. Er erinnert mich an etwas Komisches. Wenn ich es mir überlege, könnte ich Sie am Valentinstag sehr glücklich machen, Clarice Starling.«
    »Wie, Dr. Lecter?« »Indem ich Ihnen einen wunderschönen Valentinsgruß sende.
    Ich muß mir etwas einfallen lassen. Entschuldigen Sie mich nun bitte. Auf Wiedersehen, Officer Starling.«
    »Und die Studie?«
    »Einmal hat mich ein Meinungsforscher quantitativ zu bestimmen versucht. Ich habe seine Leber mit ein paar Favabohnen und einer großen Amarone verspeist. Gehen Sie zur Schule zurück, kleine Starling.«
    Hannibal Lecter, höflich bis zum Schluß, drehte ihr nicht den Rücken zu. Er ging rückwärts von der Schranke zurück, bevor er sich wieder seiner Pritsche zuwendete, und sich, auf dieser lie -
    gend, so von ihr entfernte wie ein auf einem Grab liegender Kreuzfahrer aus Stein.
    Starling fühlte sich auf einmal leer, als hätte sie Blut gespendet.
    Sie brauchte länger als gewöhnlich, um die Papiere in ihre Aktentasche zurückzustecken, da sie ihren Beinen nicht sofort traute, Starling war von dem Verlangen durchtränkt, das sie so verab-scheute. Sie klappte ihren Stuhl zusammen und lehnte ihn gegen die Tür des Geräteschranks. Sie würde wieder an Miggs vorbei müssen. In einiger Entfernung war Barney anscheinend beim Lesen. Sie könnte ihm zurufen, sie abzuholen. Scheiß auf Miggs. Es war nicht schlimmer, als jeden Tag in der City an einem Trupp Bauarbeiter oder an rüpelhaften Ausfahrern vorbeizugehen. Sie begann wieder den Korridor hinunterzugehen.
    Neben ihr zischte Miggs' Stimme: »Ich hab' mir ins Handgelenk gebissen, damit ich steeeerrrrrben kann - siehste, wie es blutet?«
    Sie hätte Barney rufen sollen, doch erschrocken schaute sie in die Zelle, sah, wie Miggs mit den Fingern schnippte, und spürte die warmen Spritzer auf ihrer Wange und Schulter, bevor sie sich abwenden konnte.
    Sie entkam ihm, registrierte, daß es Sperma, kein Blut, war, und Lecter rief nach ihr, sie konnte ihn hören. Dr. Lecters Stimme hinter ihr, das schneidende Schnarren in ihr ausgeprägter: »Officer Starling.«
    Er war auf und rief ihr nach, als sie weiterging. Sie kramte in ihrer Tasche nach Papiertüchern.
    Hinter ihr: »Officer Starling.«
    Sie hatte sich nun voll in der Kontrolle und schritt stetig auf das Tor zu.
    »Officer Starling.« Ein neuer Ton in Lecters Stimme.
    Sie blieb stehen. Worauf in Gottes Namen bin ich denn so scharf?
    Miggs zischte etwas, das sie überhörte.
    Sie stand erneut vor Lecters Zelle, und ihr bot sich der seltene Anblick, den Doktor aufgebracht zu sehen. Sie wußte, daß er es an ihr riechen konnte. Er konnte alles riechen.
    »Es wäre mir lieber gewesen, wenn Ihnen das nicht passiert wäre. Unhöflichkeit empfinde ich als unbeschreiblich häßlich.«
    Es war, als hätte das Begehen von Morden ihn von geringerer Grobheit gereinigt. Vielleicht erregte es ihn aber auch, überlegte Starling, sie auf diese besondere Art markiert zu sehen. Sie konnte es nicht sagen. Die Funken in seinen Augen flogen in seine Dunkelheit wie Glühwürmchen in eine

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