Das Schweigen der Laemmer
merkwürdige Gegenstände gegen die Wand gelehnt standen - eine Nähmaschine mit Fußantrieb und ein Dreirad, eine Rolle Kunst- rasen und eine um ihre Pfosten gewickelte gestreifte Segeltuch-markise. An der Wand hing ein braungrundiger Druck der Heiligen Cäcilie. Ihr Haar war um ihren Kopf herum geflochten, und aus dem Nichts schwebten stimmungsvoll Rosen.
»Ich bin Ihnen dafür dankbar, daß Sie uns so schnell Bescheid gegeben haben, Sheriff«, sagte Crawford.
Der Chief Deputy ließ sich auf nichts ein. »Jemand aus dem Büro des Staatsanwalts hat Sie angerufen«, sagte er. »Ich weiß, daß der Sheriff Sie nicht angerufen hat - Sheriff Perkins ist zur Zeit mit Mrs. Perkins auf einer Gesellschaftsreise in Hawaii. Ich habe heute morgen um acht Uhr, also drei Uhr morgens hawaiische Zeit, ein Ferngespräch mit ihm geführt. Er wird mich im Verlauf des Tags zurückrufen, aber er hat mir gesagt, Job Nr. 1 sei, herauszufinden, ob dies eines unserer einheimischen Mädchen ist.
Könnte ja sein, daß uns auswärtige Typen einfach etwas unterge-schoben haben. Wir kümmern uns erst mal darum, bevor wir irgend etwas anderes machen. Ist schon vorgekommen, daß die den ganzen Weg von Phenix City, Alabama, Leichen hierher-geschleppt haben.«
»Genau da können wir Ihnen helfen, Sheriff. Wenn -«
»Ich habe mit dem Felddienstkommandeur der State Troopers in Charleston telefoniert. Er schickt ein paar Beamte von der Criminal Investigation Section, der Kriminalpolizei - als CIS bekannt.
Sie bieten uns die ganze Unterstützung, die wir brauchen.« Der Korridor füllte sich langsam mit Deputy Sheriffs und Troopern; der Chef Deputy hatte ein zu großes Publikum. »Wir werden uns, sobald wir können, mit Ihnen in Verbindung setzen und Ihnen jede Gefälligkeit erweisen, mit Ihnen in jeder nur möglichen Hinsicht zusammenarbeiten, aber jetzt im Moment -«
»Sheriff, diese Art Sexualverbrechen besitzt einige Aspekte, die ich lieber nur zwischen uns Männern erörtern würde, Sie verstehen doch, was ich meine?« sagte Crawford und deutete mit einer leichten Kopfbewegung Starlings Anwesenheit an. Er drängte den kleineren Mann in ein überladenes Büro vom Gang ab und schloß die Tür. Starling mußte ihren Ärger wohl oder übel vor den schnatternden Hilfssheriffs verbergen. Mit fest zusammengebis-senen Zähnen starrte sie die Heilige Cäcilie an und gab das entrückte Lächeln der Heiligen zurück, während sie durch die Tür lauschte. Sie konnte laute Stimmen hören, dann Bruchstücke eines Telefongesprächs. In weniger als vier Minuten waren die beiden wieder auf dem Gang draußen.
Der Mund des Sheriffs war verkniffen. »Oscar, geh vorn raus und hol Dr. Akin. Er ist quasi verpflichtet, diesen Riten beizu-wohnen, aber ich glaube nicht, daß sie da draußen schon angefangen haben. Sag ihm, wir haben Claxton am Apparat.«
Dr. Akin, der Coroner, kam in das kleine Büro und stellte einen Fuß auf den Stuhl, während er sich mit einem Fächer gegen die Vorderzähne klopfte und sich kurz telefonisch mit dem Pathologen in Claxton beriet. Anschließend erklärte er sich mit allem einverstanden.
Und so stieß Clarice Starling in einem weißen Holzhaus einer Sorte, die ihr nicht fremd war, in einem Raum zum Einbalsamie -
ren mit Zentifolien auf der Tapete und einem unter seiner hohen Decke hinschimmelnden Bild auf ihren ersten direkten Beweis von Buffalo Bill.
Der fest mit einem Reißverschluß zugezogene hellgrüne Pla -
stiksack war das einzige moderne Objekt im Raum. Er lag auf einem altmodischen Balsamiertisch aus Porzellan, der sich wiederholt in den Glasscheiben der Vitrine widerspiegelte, die Packun-gen mit Balsamierflüssigkeit und hohlen, kräftigen Metallnadeln enthielt.
Crawford holte den Fingerabdrucktransmitter aus dem Wagen, während Starling ihre Ausrüstung auf dem Abtropfbrett eines großen Doppelbeckens an der Wand auspackte.
Im Raum waren zu viele Leute. Mehrere Hilfssheriffs, der Chief Deputy, alle waren mit ihnen hereingeströmt und machten keine Anstalten zu gehen. Es war nicht richtig. Warum griff Crawford nicht hart durch und wurde sie los?
Die Tapete bauschte sich in einem Windzug, zog sich nach innen, als der Doktor den großen staubigen Frischluftventilator an-stellte.
Clarice Starling, die am Waschbecken stand, brauchte nun ein Urbild an Mut, das in der Wirkung treffender und nachhaltiger war als das eines Fallschirmsprungs des Marineinfanteriekorps.
Das Bild kam und half ihr, bewegte sie aber auch
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