Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schweigen der Laemmer

Das Schweigen der Laemmer

Titel: Das Schweigen der Laemmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
Vom Netzwerk:
vor seinem Schreibtisch, bis auf einen auf dem Boden festgeschraubten geraden Stuhl. Starling stand neben diesem, während ihre Begrüßung in der Luft hing. Sie konnte die kalten, stinkenden Pfeifen in dem Regal neben Chiltons Feucht-haltebehälter riechen.
    Dr. Chilton hörte damit auf, seine Franklin Mint-Lokomotiven zu studieren, und wandte sich ihr zu.
    »Hätten Sie gern eine Tasse koffeinfreien Kaffee?«
    »Nein, danke. Es tut mir leid, Ihren Abend zu unterbrechen.«
    »Sie versuchen immer noch, etwas über diese Sache mit dem Kopf herauszufinden«, sagte Dr. Chilton.
    »Ja. Vom Büro des Baltimorer Staatsanwalts wurde mir mitgeteilt, daß man mit Ihnen Anordnungen getroffen hätte, Doktor.«
    »O ja. Ich arbeite sehr eng mit den Behörden hier zusammen, Miß Starling. Arbeiten Sie übrigens an einem Artikel oder an einer Doktorarbeit?«
    »Nein.«
    »Sind Sie je in einem der Fachjournale veröffentlicht worden?«
    »Nein, nie. Dies ist nur ein Auftrag, den ich für die Mordkommission von Baltimore County auf Geheiß des Büros des Bundesstaatsanwalts untersuchen soll. Wir haben sie mit einem ungelö-
    sten Fall sitzenlassen und helfen ihr nur, Ordnung zu schaffen.« Starling stellte fest, daß ihre Abneigung gegen Chilton das Lügen vereinfachte.
    »Haben Sie eine Wanze, Miß Starling?«
    »Habe ich —«
    »Tragen Sie eine Mikrofonvorrichtung, um aufzunehmen, was Dr. Lecter sagt? Der Polzeibegriff ist ›Wanze‹, Sie haben ihn bestimmt schon gehört.«
    »Nein.«
    Dr. Chilton nahm ein kleines Diktaphon von seinem Schreibtisch und legte eine Kassette ein. »Dann tun Sie dies hier in Ihre Handtasche. Ich werde es vom Band übertragen lassen und Ihnen eine Kopie schicken. Sie können es zur Vermehrung Ihrer Notizen verwenden.«
    »Nein, das kann ich nicht tun, Dr. Chilton.«
    »Warum in aller Welt nicht? Die Baltimorer Behörden haben mich schon die ganze Zeit um meine Analyse von allem gebeten, was Lecter über diese Sache mit Klaus sagt.«
    Umgehen Sie Chilton, wenn Sie können, hatte Crawford ihr geraten. Wir können ihm binnen einer Minute mit einem Gerichtsbeschluß auf den Pelz rücken, aber Lecter wird es riechen. Er kann Chilton durchschauen wie ein elektronisches Abtastgerät.
    »Der Bundesstaatsanwalt meinte, wir sollten es zuerst mit einer zwanglosen Methode versuchen. Wenn ich Dr. Lecter ohne sein Wissen aufnähme und er es herausfände, dann wäre das wirklich das Ende jeglicher Art von Arbeitsatmosphäre, die wir hatten.
    Dem würden Sie doch sicher beipflichten.«
    »Wie würde er es herausfinden?«
    Er würde es in den Zeitungen lesen mit allem anderen, was du weißt, du verdammter Idiot. Sie antwortete nicht. »Wenn dies irgendwo laut werden sollte und er unter Eid aussagen muß, wären Sie der erste, der das Material sieht, und ich bin sicher, Sie würden als sachverständiger Zeuge vorgeladen. Momentan versuchen wir nur, einen Hinweis von ihm zu bekommen.«
    »Wissen Sie, warum er sich mit Ihnen unterhält, Miß Starling?«
    »Nein, Dr. Chilton.«
    Er betrachtete jedes Detail in der Unmenge von Zertifikaten und Diplomen an den Wänden hinter seinem Schreibtisch, als führte er eine Stimmzählung durch. Nun eine langsame Drehung zu Starling. »Haben Sie wirklich das Gefühl, zu wissen, was Sie tun?«
    »Aber sicher.« Starlings Beine waren von zuviel Training wacklig. Sie wollte nicht mit Chilton kämpfen. Sie wollte noch Kraft übrig haben, wenn sie zu Lecter kam.
    »Was Sie tun, ist, in mein Krankenhaus zu kommen, um ein Interview durchzuführen, und sich zu weigern, Informationen mit mir zu teilen.«
    »Ich handle auf meine Anordnungen hin, Dr. Chilton. Ich habe hier die Nachtnummer des Bundesstaatsanwalts, Besprechen Sie dies bitte mit ihm oder lassen Sie mich meine Arbeit tun.«
    »Ich bin kein Gefangenenwächter hier, Miß Starling. Ich komme nachts nicht hier heruntergerannt, um Leute ein und aus zu lassen. Ich hatte eine Karte für Holiday on Ice.«
    Es kam ihm zu Bewußtsein, daß er eine Karte gesagt hatte. In je -
    nem Augenblick sah Starling sein Leben, und er wußte es.
    Sie sah seinen kahlen Kühlschrank, die Krümel auf der Schale seines Fertiggerichts, das er allein beim Fernsehen aß, die unbe-weglichen Stapel, in denen seine Sachen monatelang blieben, bis er sie bewegte - sie spürte den Schmerz seines ganzen einsamen Lebens hinter seinem asiatisch nichtssagenden Lächeln -, und so schnell wie ein Schnappmesser wußte sie, daß sie ihn nicht ver-schonen, daß sie nicht

Weitere Kostenlose Bücher