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Das Schweigen der Laemmer

Das Schweigen der Laemmer

Titel: Das Schweigen der Laemmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Gitter heran, und er schaute hoch. Für Starling stob jeder Schatten in der Zelle in seine Augen und in seinen Haaransatz, der einem Witwenhorn ähnelte.
    »Guten Abend, Dr. Lecter.«
    Die Spitze seiner Zunge wurde sichtbar, ebenso rot wie seine Lippen. Sie berührte seine Oberlippe genau in der Mitte und verschwand wieder im Mund.
    »Clarice.«
    Sie hörte das leichte metallische Schnarren unter seiner Stimme und überlegte, wie lange es her sein mochte, seit er das letzte Mal etwas gesagt hatte. Schläge des Schweigens...
    »Für eine Schulnacht sind Sie noch spät auf«, sagte er.
    »Dies ist die Abendschule«, entgegnete sie und wünschte, ihre Stimme wäre kräftiger. »Gestern war ich in West Virginia -«
    »Haben Sie sich verletzt?«
    »Nein, ich -«
    »Sie tragen ein frisches Pflaster, Clarice.«
    Da fiel es ihr ein. »Ich hab' mir heute beim Schwimmen einen Kratzer an der Seite des Pools geholt.« Das Pflaster, an ihrer Wade unter ihrer Hose, war nicht zu sehen. Er mußte es riechen. »Ich war gestern in West Virginia. Man hat dort eine Leiche gefunden, Buffalo Bills letzte.«
    »Nicht ganz seine letzte, Clarice.«
    »Seine zweitletzte.«
    »Ja.«
    »Sie war skalpiert. Genau, wie Sie es vorausgesagt haben.«
    »Stört es Sie, wenn ich während unserer Unterhaltung weiter skizziere?«
    »Nein, bitte.«
    »Sie haben die Überreste in Augenschein genommen?«
    »Ja.«
    »Hatten Sie seine früheren Bemühungen gesehen?«
    »Nein. Nur Bilder.«
    »Wie haben Sie sich gefühlt?«
    »Besorgt. Dann war ich beschäftigt.«
    »Und danach?« »Erschüttert.«
    »Konnten Sie richtig arbeiten?« Dr. Lecter rieb seine Holzkohle am Rand seines Einwickelpapiers, um den Punkt noch mehr zu verfeinern.
    »Sehr gut. Ich habe sehr gut gearbeitet.«
    »Für Jack Crawford? Oder macht er immer noch Hausbesu-che?«
    »Er war da.«
    »Seien Sie einen Moment nachsichtig gegen mich, Clarice.
    Würden Sie den Kopf nach vorn hängen lassen, ihn einfach nach vorn hängen lassen, als würden Sie schlafen. Noch eine Sekunde. Danke, jetzt hab' ich's. Nehmen Sie Platz, wenn Sie mö-
    gen. Sie haben Jack Crawford erzählt, was ich gesagt habe, bevor man sie entdeckte?«
    »Ja. Er hat es als ziemlich unwichtig abgetan.«
    »Und nachdem er die Leiche in West Virginia gesehen hat?«
    »Er sprach mit seinem Hauptsachverständigen, von der University of -«
    »Alan Bloom.«
    »Das stimmt. Dr. Bloom sagte, Buffalo Bill verwirkliche eine Person, die die Zeitungen erfunden haben, die Sache mit dem Skalpieren seitens Buffalo Bills, mit der die Boulevardpresse her-umgespielt hat. Dr. Bloom sagte, jeder könne sehen, daß das käme.«
    »Dr. Bloom sah das kommen?«
    »Das hat er behauptet.«
    »Er hat es kommen sehen, aber er hat es für sich behalten. Ich verstehe. Was meinen Sie, Clarice?«
    »Ich bin nicht sicher.«
    »Sie haben einige Kenntnisse in Psychologie, einige in Gerichtsmedizin. Wo die beiden zusammenfließen, da fischen Sie doch, oder? Irgendwas gefangen, Clarice?«
    »Bislang läuft es ziemlich langsam.«
    »Was sagen Ihnen Ihre beiden Wissenschaftszweige über Buffalo Bill?«
    »Den Büchern zufolge ist er ein Sadist.«
    »Das Leben ist zu schlüpfrig für Bücher, Clarice; Zorn zeigt sic h als Lust, Lupus präsentiert sich als Nesselausschlag.« Dr. Lecter hörte damit auf, seine linke Hand mit der rechten zu skizzieren, nahm die Holzkohle in die andere Hand und begann, mit der linken Hand Skizzen von seiner rechten zu machen, und dies genauso gut. »Meinen Sie Dr. Blooms Buch?«
    »Ja.«
    »Sie haben darin über mich nachgelesen, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Wie hat er mich beschrieben?«
    »Als reinen Soziopathen.«
    »Würden Sie sagen, daß Dr. Bloom recht hat?«
    »Ich warte noch immer auf die richtige Erklärung.«
    Dr. Lecters Lächeln enthüllte seine kleinen weißen Zähne. »Wir haben ringsum Experten bei der Hand, Clarice. Dr. Chilton behauptet, Sammie, dort hinter Ihnen, sei ein hebephrener Schizoider und unrettbar verloren. Er hat Sammie in Miggs' alte Zelle gesteckt, weil er der Meinung ist, Sammie habe sich von dieser Welt verabschiedet. Wissen Sie, wie Hebephreniker gewöhnlich von uns gehen? Keine Sorge, er wird Sie nicht hören.«
    »Sie sind am schwersten zu behandeln«, sagte sie. »Gewöhnlich kommt es bei ihnen zu unheilbarer Isolation und zu Persön-lichkeitszerfall.«
    Dr. Lecter zog etwas zwischen seinen Blättern weichen Einwik-kelpapiers heraus und legte es in das Schiebetablett fürs Essen.
    Starling zog es

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