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Das Schweigen der Laemmer

Das Schweigen der Laemmer

Titel: Das Schweigen der Laemmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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weiterreden oder wegschauen durfte, Sie starrte ihm ins Gesicht, und mit einer kaum merklichen Neigung des Kopfes gab sie ihm zu verstehen, wieviel sie wußte, spießte ihn damit auf und machte ihm klar, daß die Unterhaltung so nicht weitergehen konnte.
    Er schickte sie mit einem Krankenpfleger namens Alonzo los.

22. Kapitel

    Als Starling mit Alonzo durch die Anstalt zum letzten Verlies hinunterging, gelang es ihr, einen Großteil des Türenknallens und des Geschreis auszuschließen, obwohl sie spürte, wie die Luft davon erzitternd an ihrer Haut vorbeistrich. Der Druck auf ihr wurde größer, als würde sie tiefer, immer tiefer durch Wasser sinken. ; Die Nähe der Irren - der Gedanke an Catherine Martin, gefesselt und allein mit einem von ihnen, der sie beschnüffelte und sich die Taschen auf seine Werkzeuge hin abklopfte - stärkte Starling für ihre Arbeit. Sie brauchte jedoch mehr als Entschlossenheit. Sie mußte ruhig und still, mußte das schärfste Instrument sein. Angesichts der schrecklichen Notwendigkeit, sich zu beeilen, mußte sie Geduld aufbringen. Wenn Dr. Lecter die Antwort kannte, würde sie sie unter den Ranken seines Denkens verborgen finden müssen.
    Starling stellte fest, daß sie an Catherine Baker Martin als du Kind dachte, das sie im Film in den Nachrichten gesehen hatte, das kleine Mädchen im Segelboot.
    Alonzo drückte auf den Summer an der letzten schweren Tür.
    »Lehret uns, uns zu sorgen und uns nicht zu sorgen, lehret uns, still zu sein.«
    »Wie bitte?« fragte Alonzo, und Starling wurde bewußt, daß sie laut gedacht hatte.
    Er ließ sie mit dem großen Pfleger zurück, der die Tür öffnete.
    Als Alonzo sich abwendete, sah sie, wie er sich bekreuzigte.
    »Erneut willkommen«, sagte der Pfleger und ließ die Riegel hinter ihr einschnappen.
    »Hallo, Barney.«
    Ein Taschenbuch war um Barneys massigen Zeigefinger geklappt, während er seinen Platz beibehielt. Es war Jane Austes Vernunft und Gefühl; Starling war angewiesen, auf alles zu achten.
    »Wie wollen Sie das Licht?« fragte er.
    Der Korridor zwischen den Zellen war düster. Am anderen Ende konnte sie helles Licht aus der letzten Zelle auf den Boden scheinen sehen.
    »Dr. Lecter ist wach?« »Nachts immer - selbst wenn sein Licht aus ist.«
    »Lassen wir es so, wie es ist.«
    »Beim Hinuntergehen in der Mitte bleiben, nicht die Gitter be-rühren, in Ordnung?«
    »Ich möchte diesen Fernseher ausschalten.« Man hatte das Fernsehgerät umgestellt. Es stand am anderen Ende mit dem Bildschirm zur Mitte des Gangs hoch. Einige Insassen konnten es sehen, wenn sie den Kopf gegen die Gitter lehnten.
    »Sicher, drehen Sie den Ton ab, aber lassen Sie das Bild, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Einige von ihnen schauen einfach gern hin. Der Stuhl ist da drüben, wenn Sie ihn brauchen.«
    Starling ging allein den halbdunklen Korridor hinunter. Sie schaute nicht in die Zellen auf beiden Seiten. Ihre Schritte kamen ihr laut vor. Die einzigen anderen Geräusche waren prustendes Schnarchen aus ein oder zwei Zellen und ein leises Kichern aus einer anderen.
    Die Zelle des verstorbenen Miggs hatte einen neuen Bewohner.
    Sie konnte lange Beine auf dem Boden ausgestreckt erkennen, den Scheitel eines gegen die Gitter gelehnten Kopfes. Beim Vorbeigehen sah sie hinein. Ein Mann saß in einem Wust von zer-schnipseltem Millimeterpapier auf dem Boden der Zelle. Sein Gesicht war leer. Das Fernsehen spiegelte sich in seinen Augen wider, und ein dünner Speichelfaden verband den Winkel seines Munds mit seiner Schulter.
    Sie wollte erst dann in Dr. Lecters Zelle hineinblicken, wenn sie sich sicher war, daß er sie gesehen hatte. Mit einem Jucken zwischen den Schultern ging sie daran vorbei zum Fernseher hin und stellte den Ton ab.
    Dr. Lecter trug den weißen Anstaltsschlafanzug in seiner wei-
    ßen Zelle. Die einzigen Farben in der Zelle waren sein Haar, seine Augen und sein Mund, in einem Gesicht, das so lang keine Sonne gesehen hatte, daß es mit .dem Weiß seiner Umgebung ver-schwomm; seine Züge schienen über dem Kragen seines Hemds zu schweben. Er saß an seinem Tisch hinter dem Nylonnetz, das ihn von den Gittern fernhielt. Er skizzierte auf weichem Einwik-kelpapier und benutzte seine Hand als Modell. Während sie zusah, drehte er die Hand um, bog die Finger zu großer Spannung und zeichnete die Innenseite des Vorderarms. Er benutzte den kleinen Finger als schattierenden Stummel, um eine Holzkohlen-linie abzuändern.
    Sie kam ein wenig näher an die

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