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Das Schweigen der Laemmer

Das Schweigen der Laemmer

Titel: Das Schweigen der Laemmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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fließend Wasser und Elektrizität.
    Im Keller ist es nun völlig dunkel.
    Unter dem Raum mit dem Sandboden, in dem Verließ, ist Catherine Martin still.
    Mr. Gumb ist hier im Keller, aber er ist nicht in dieser Kammer.
    Der Raum hinter der Treppe ist für die menschliche Sehkraft schwarz, doch er ist voller leiser Geräusche. Hier tröpfelte Wasser, und kleine Pumpen summten. In kleinen Echos klingt der Raum groß. Die Luft ist feucht und kühl. Riech das Grün. Flügel-schlagen gegen die Wange, vereinzelt Knacken in der Luft. Ein tie -
    fes nasales Geräusch der Befriedigung, ein menschliches Ge-räusch.
    Der Raum enthält keine der Wellenlängen von Licht, derer das menschliche Auge sich bedienen kann, doch Mr. Gumb ist hier, und er kann sehr gut sehen, obwohl er alles in Grünschattierun-gen und -stärken erkennt. Er trägt eine hervorragende Infrarotschutzbrille (aus israelischen Armeebeständen, weniger als vier-hundert Dollar), und er lenkt den Strahl einer Infrarottaschenlampe auf den Drahtkäfig vor sich. Hingerissen sitzt er auf der Kante eines geraden Stuhls und betrachtet ein Insekt, das eine Pflanze in dem Schutzkäfig hochklettert. Die junge Imago ist gerade aus einer gespaltenen Chrysalis in der feuchten Erde des Kä-
    figbodens ausgeschlüpft. Vorsichtig klettert sie an einem Stengel Nachtschatten empor und sucht Platz zum Entfalten der feuchten neuen, noch an ihrem Rücken fest zusammengepreßten Flügel.
    Sie wählt einen waagerechten Zweig.
    Mr. Gumb muß den Kopf neigen, um sehen zu können. Nach und nach werden die Flügel mit Blut und Luft vollgepumpt. Sie kleben noch immer über dem Rücken des Insekts zusammen.
    Es vergehen zwei Stunden. Mr. Gumb hat sich kaum gerührt.
    Er knipst die Infrarottaschenlampe aus und an, um sich mit dem Fortschritt zu überraschen, den das Insekt gemacht hat. Um die Zeit totzuschlagen, läßt er das Licht über den übrigen Raum spie -
    len - über seine großen Aquarien voll von pflanzlicher Gerblö-
    sung. Auf Formen und Streckvorrichtungen in den Tanks stehen seine jüngsten Errungenschaften wie zerbrochene klassische Sta-tuen grün unter dem Meer. Sein Licht streift über den großen gal-vanisierten Arbeitstisch mit seinem Lagerblock aus Metall, rück-wärtiges Schutzblech und Abzugsrinnen, berührt die Winde dar-
    über. An der Wand seine langen Industriebecken. Alles in den grünen Bildern gefilterten Infrarots. Geflatter, phosphoreszie -
    rende Streifen kreuzen sein Blickfeld, kleine Kometenschweife von Motten frei im Raum.
    Gerade rechtzeitig wechselt er wieder zum Käfig zurück. Die großen Flügel des Insekts werden über dem Rücken gehalten, verbergen und verzerren seine Markierungen. Nun klappt es die Flügel nach unten, um seinen Körper zu umhüllen, und das be-rühmte Muster ist deutlich zu erkennen. Ein menschlicher Schä-
    del, herrlich ausgeführt in den pelzartigen Schuppen, starrt vom Rücken des Falters her. Unter der dunkel getönten Kuppel des Schädels sind die schwarzen Augenlöcher und die vorstehenden Backenknochen. Unter ihnen liegt Dunkelheit wie ein Knebel über dem Gesicht oberhalb des Kiefers. Wie das Oberteil eines Beckens sieht die Markierung darunter aus.
    Ein auf einem Becken aufgesetzter Schädel, alles durch einen Zufall der Natur auf den Rücken eines Nachtschwärmers gezeichnet.
    Mr. Gumb fühlt sich im Innern so gut und leicht. Er beugt sich vor, haucht sanfte Luft über den Falter.
    Leise geht er mit seiner Lampe in das Verließ. Er macht den Mund auf, um sein Atmen zu dämpfen. Er möchte seine Stimmung nicht mit einer Menge Lärm aus der Grube verderben. Die Gläser seiner Schutzbrille auf ihren kleinen vorstehenden Gehäusen sehen wie Krabbenaugen auf Stielen aus. Mr. Gumb weiß, daß die Schutzbrille alles andere als attraktiv ist, aber beim Spielen von Kellerspielen hat er ein paar tolle Zeiten mit ihr in dem schwarzen Keller gehabt.
    Er lehnt sich nach vorn und leuchtet sein unsichtbares Licht den Schacht hinunter. Sie, das Material, liegt auf ihrer Seite, wie eine Garnele zusam-mengekrümmt. Anscheinend schläft sie. Ihr Toiletteneimer steht neben ihr. Sie hat nicht törichterweise wieder die Schnur zerrissen und auch nicht versucht, sich an den nackten Wänden hochzuzie -
    hen. In ihrem Schlaf preßt sie die Ecke der Decke gegen das Gesicht und lutscht am Daumen.
    Catherine betrachtend, das Licht der Infrarottaschenlampe an ihr herauf und herunter spielend, bereitet Mr. Gumb sich auf die vor ihm liegenden

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