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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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entgegen. Edward warf dem Jungen eine halbe Krone zu und wies ihn an, das Pferd mit Futter und Wasser zu versorgen.
    Oldwell Hall war ein großer Landsitz, kaum zehn Jahre alt, mit einem zweistöckigen Haupthaus in der Mitte und zwei zurückgesetzten Seitenflügeln. Auf Edward wirkte das kastenförmige graue Gebäude eher wie eine militärische Festung und nicht so sehr wie ein Zuhause.
    Erleichtert sah er, dass Miss Harrington gerade eine Runde um den Rasen spazierte, einen Schirm über der Schulter. Immer noch unsicher, was er zu ihr sagen sollte, schritt ihr Edward über die Zufahrt entgegen.
    Sie musste ihn gesehen haben, denn sie drehte sich um und blieb stehen, bis er sie erreicht hatte. »Bradley, was für eine angenehme Überraschung«, sagte sie mit einem herzlichen Lächeln. »Ich fürchte, mein Vater ist nach Bristol gereist.«
    »Das macht gar nichts, Miss Harrington, denn ich hatte gehofft, mit Ihnen sprechen zu können.«
    Einer ihrer Mundwinkel hob sich in einem wissenden Lächeln.
    »Darf ich ein Stück mit Ihnen gehen?«, fragte er.
    »Natürlich.«
    Sie wechselte den Sonnenschirm auf die andere Seite und nahm seinen Arm. Zusammen schlenderten sie über den Rasen, der noch feucht vom kürzlich gefallenen Regen war. Die Landschaft war kahl, nur ein paar Büsche und ein großer Brunnen zierten das Grundstück. Die Temperatur war mild und die Sonne kam immer wieder hinter den Wolken hervor.
    Edward räusperte sich und hoffte, einen unverfänglichen Ton zu treffen. »Sie sagten einmal, Sie wünschten sich, dass Ihr Vater Sie nicht unter Druck setzte und dass Sie« – auf der Suche nach den richtigen Worten geriet er ins Stocken – »heiraten könnten, wen Sie wollten. Erinnern Sie sich?«
    Sie senkte geziert das Kinn und antwortete vorsichtig. »Ja-a …«
    »Würden Sie gern einen Mann heiraten, Miss Harrington, der nicht Erbe eines Titels und der Adelswürde wäre?«
    Sie hob den Kopf und grinste. »Wäre dieser ›Mann‹ trotzdem reich?« Sie lachte, verstummte aber schnell. »Bradley, ich mache nur Spaß. Hat jemand angedeutet, ich sei nur an Ihnen interessiert, um eine Gräfin zu werden?«
    »Vielleicht.«
    Sie kräuselte die Stirn. »Aber … wie könnte ich Sie nicht bewundern? Sie sind der zukünftige Lord Brightwell … und darüber hinaus jung, gut aussehend und aufmerksam.«
    »Und wenn ich das nicht wäre?«
    »Mein lieber Bradley, wir werden im Lauf der Zeit alle älter und weniger attraktiv. Obwohl ich es unerträglich langweilig finden werde, wenn sich nicht mehr alle nach mir umdrehen, sobald ich einen Raum betrete …« Sie lachte wieder und wartete auf eine galante Erwiderung von ihm.
    »Ich meinte, wenn ich kein zukünftiger Earl wäre«, bohrte er weiter.
    Eine Frühlingsbrise ließ die Rüsche des Sonnenschirms flattern. »Wirklich, Sie sind in einer seltsamen Laune. Sie wissen ganz genau, dass Sie der Erbe Ihres Vaters sind. Und wenn Sie das nicht wären, wäre ich Ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach nie begegnet.«
    »Ein anderer glücklicher Kerl würde jetzt neben Ihnen hergehen?«
    Sie grinste. »Ein anderer glücklicher adliger Kerl.«
    Er nickte und ging schweigend weiter.
    Sie betrachtete ihn von der Seite. »Warum machen wir dieses Spiel? Hat Ihre Cousine Judith Sie dazu gebracht, an mir zu zweifeln?«
    »Judith? Was hat sie damit zu tun?«
    Miss Harrington stieß ein trockenes Lachen aus. »Sie will Sie natürlich für sich haben. Erzählen Sie mir nicht, dass Ihnen das noch nicht aufgefallen ist!«
    Edward holte tief Luft. War es ihm aufgefallen? Hatte sein Vater deshalb diese Andeutungen gemacht? Es kam oft genug vor, dass Cousin und Cousine heirateten, das wusste er. Aber Judith war fast wie eine Schwester für ihn.
    Sybil Harrington warf ihm einen prüfenden Blick zu. »Haben Sie genug von Ihrem Spiel, Bradley?«
    Er brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Ja, ich glaube, das habe ich.« Er blickte sie an und seufzte. »Ich habe genug von dieser ganzen Scharade.«
    »Gut«, antwortete sie munter. »Werden wir … ich meine, werden Sie nach Ostern in der Stadt sein?«
    Er schüttelte den Kopf und sagte in ruhigem Ton. »Nein, das werde ich nicht.«
    Sie drehte den Schirm auf ihrer Schulter. »Da Sie in Trauer sind, hatte ich mich das schon gefragt. Trotzdem, was für ein Verdruss, die Saison ohne Sie aushalten zu müssen. Vater hoffte, wir könnten dieses Jahr ganz darauf verzichten, wenn …«
    Er wusste, was mit diesem »wenn« gemeint war. Wenn er um ihre Hand

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