Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)
versucht, ihr Geheimnis zu verbehrgen, aber ich weiss, was sie getan haben. Legen sie an Marias Verkündigunk 50 Guineen in den Blumenstender auf Ezra Sackvilles Grab und niemand wird etwas erfaren.
»Oh …«, stieß Olivia hervor und fühlte sich, als hätte ihr jemand einen Schlag in die Magengrube versetzt. Sie schaute besorgt zu ihm hoch, doch ihr Mitgefühl schlug in Wut um, als sie seinen verächtlichen Blick sah.
»Sie glauben doch wohl nicht, dass ich das geschrieben habe«, sagte sie herausfordernd und hielt den Brief in die Höhe.
»Ich will es nicht glauben, aber wie kann ich die Beweise ignorieren, die ich vor Augen habe?«
Sie stammelte empört: »Das ist nicht einmal meine Schrift!«
»Die Schrift kann man leicht verstellen.«
»Und die entsetzliche Rechtschreibung …«
»Schlau gemacht, Miss Keene. Das ist mir sofort aufgefallen.«
»Ich könnte und würde so etwas nie schreiben.«
»Dann eben Ihr Komplize. Der Mann mit der erbärmlichen Rechtschreibung. Denn Sie sind die Einzige, die es wusste.«
»Offensichtlich nicht. Sicher gab es Menschen, die damals etwas davon erfuhren. Ihre leibliche Mutter oder jemand von den Dienstboten oder aus der Familie.«
»Jemand, der diese Information all die Jahre zurückgehalten hat und sie jetzt offenbaren will? Das halte ich persönlich für einen zu großen Zufall.«
»Ich gebe zu –«
»Sie geben es zu?«, brüllte er.
»Ich gebe zu, dass es schlecht aussieht, aber ich war das nicht.«
Er schüttelte den Kopf. »Ist Ihre Zeit hier so unerträglich gewesen? Ist das Ihr Plan, um Rache zu nehmen?«
»Rache?« Sie schüttelte fassungslos den Kopf.
»Das ist Ihr Motiv. Und warum sollten Sie uns zusätzlich nicht noch ein bisschen Geld abknöpfen?«
»Ja, warum nicht?«, tobte sie. »Aber mehr als nur ein bisschen Geld. Hundert Guineen wären für den Anfang ganz gut.«
Er blickte sie wütend an. »In dem Brief steht fünfzig.«
Sie reckte das Kinn. »Die Summe hat sich gerade erhöht. Und hundert Guineen scheinen mir ein kleiner Preis dafür zu sein, dass die Welt nicht erfährt, was Sie wirklich sind.«
Er starrte sie an und war einen Moment lang sprachlos. Dann schüttelte er niedergeschlagen den Kopf. »Es hat lang gedauert, aber hier spricht endlich die wahre Olivia Keene. Sie haben uns wirklich alle zum Narren gehalten.«
Seine Worte trafen sie mitten ins Herz und ihr Ärger wich der Scham. Sie stand unsicher auf.
»Vergeben Sie mir«, stieß sie hervor. »Ich hatte kein Recht, so etwas zu sagen.« Ihre Stimme klang müde. »Aber ich versichere Ihnen, ich habe nichts damit zu tun und habe Ihr Geheimnis mit keiner Silbe gegenüber einem anderen Menschen erwähnt. Erlauben Sie mir zu gehen und ich werde für immer darüber schweigen.«
Sie drehte sich abrupt um und verließ hastig das Zimmer.
Mit schweren Schritten stieg Edward die Treppen hinunter. Wut und Misstrauen wurden von Reue und Niedergeschlagenheit abgelöst. In Wirklichkeit hatte er überhaupt nicht geglaubt, dass Olivia etwas damit zu tun haben könnte, als er den Brief ins Schulzimmer getragen hatte. Aber dann hatte er gesehen, wie sie den Brief versteckte, den sie gerade geschrieben hatte, und hatte voreilige Schlüsse daraus gezogen.
Er begab sich in die Bibliothek, um seinen Vater zu treffen. Lord Brightwell war in seinem Lieblingssessel vor dem Feuer eingeschlafen.
Er wachte mit einem Ruck auf, als Edward die Tür schloss.
»Hallo, Edward«, begrüßte er ihn und richtete sich auf.
»Bleib lieber sitzen«, riet ihm Edward. »Wir haben wieder einen Brief bekommen.«
Der Earl seufzte müde.
»Der Schrift nach hielt ich den Brief für Post von einem Handwerker und öffnete ihn zusammen mit der anderen Korrespondenz, die das Anwesen betrifft, wie du mich gebeten hast.« Edward holte die Brille seines Vaters und gab sie ihm zusammen mit der Nachricht.
Sein Vater las sie und fluchte leise. Er ließ den Brief auf sein Knie fallen und starrte blind ins Feuer.
»Wer könnte das geschrieben haben?«, fragte Edward. »Ich habe Miss Keene beschuldigt, aber –«
»Olivia? Ist das dein Ernst? Das kann ich nicht fassen!«
Edward kniff die Augen zu. »Ich weiß, ich weiß. Ich habe mich furchtbar benommen. Ich kam ins Zimmer, als sie einen Brief schrieb – den sie schnell vor mir versteckte. Ich glaube, da bin ich einfach durchgedreht.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »All diese lästige Heimlichtuerei, seit sie hier aufgetaucht ist … ihr Schweigen über ihre
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