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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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kam, nicht wahr?«
    Sie lächelte. Ihre Augen glänzten seltsam abwesend. »Das stimmt. Ich war die Kindbettpflegerin für Ihre arme Mama. Wie geht es Lady Brightwell? Ist sie immer noch so traurig?«
    Er zögerte. Die Erkenntnis, dass die Geisteskraft seiner treuen Kinderfrau nachließ, traf ihn schwer. Spontan beschloss er, sie nicht an die vergangenen Ereignisse zu erinnern. »Ganz recht. Warum ist sie traurig, Miss Peale?«
    »Dummer Junge. Weil ihre Babys gestorben sind.« Sie schaute an ihm vorbei auf einen unsichtbaren Gegenstand oder eine alte Erinnerung.
    Ihm stockte der Atem. »Alle von ihnen, Miss Peale?«
    Sie seufzte. »Alle von ihnen.«
    Vorsichtig fragte er: »Hat es Ihnen etwas ausgemacht, als sie mich als ihr eigenes Kind angenommen haben?«
    »Warum sollte ich? Sie sagten, ich könnte als Ihr Kindermädchen hierbleiben und dazu noch einen hohen Lohn bekommen.« Sie schaute zu ihm hoch. »Wissen Sie, dass ich mehr verdiene als Hodges? Mrs Hinkley hat einmal eine Bemerkung darüber gemacht.« Sie kicherte. »Ich wäre auch für weniger geblieben. Ich habe Sie vom ersten Moment an geliebt. Sie sahen damals genau wie Alexander aus.«
    »Ja«, murmelte er, und versuchte, sich seine Betroffenheit nicht anmerken zu lassen. »Sie waren ein gutes Kindermädchen und haben unserer Familie gut gedient.«
    Sie nickte und ihr Blick trübte sich verwirrt. War ihr gerade klar geworden, dass sie etwas zugegeben hatte, was sie nie hätte verraten dürfen?
    Plötzlich durchzuckte ihn ein anderer Gedanke. Könnte sie die Briefe geschrieben haben? Verwirrt, wie sie war? Ihm wurde bewusst, dass er ihre Schrift nicht erkennen würde. Hatte er sie je gesehen? Aber etwas, das Miss Keene einmal gesagt hatte, kam ihm in den Sinn.
    Er sagte: »Ja, Sie waren ein ausgezeichnetes Kindermädchen, aber Sie haben nie Lesen und Schreiben gelernt, nicht wahr?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann Sie nicht belügen, Master Edward.« Sie zuckte zusammen. »Aber bitte sagen Sie es niemand. Das war all die Jahre mein beschämendes Geheimnis.«
    Dieses Geheimnis hatte sie gehütet, dachte er etwas zynisch.
    »Wie hieß meine Mutter?«, fragte er, entschlossen, ihren gegenwärtigen Geisteszustand auszunutzen.
    Miss Peale schüttelte langsam den Kopf, den Blick wieder in weiter Ferne. »Arme Alice Croome …«
    Sein Herz setzte einen Schlag lang aus. Croome? Das kann nicht sein. Hatte Croome eine Frau? Eine Tochter? Eine Nichte? Er hätte nicht damit gerechnet.
    »Ist das ihr Name?«, bedrängte er sie. »Ist Alice Croome meine Mutter?«
    Miss Peale hob ruckartig den Kopf. Ihr Mund war streng und das Feuer in ihren Augen hätte ihn als Junge in Angst und Schrecken versetzt. »Ihre Mutter ist natürlich Lady Brightwell«, blaffte sie. » ›Wer ist meine Mutter …?‹ Was für ein Unsinn!«

43
     
Besonders in Mode war die Schule von Mrs Devis im Queen Square, wo Tanzmeister, Musiklehrer und Zeichenlehrer stark in Erscheinung traten.
Ruth Bradon, Governess, The Lives and Times of the Real Jane Eyres
     
    Olivia verbrachte ein paar unruhige Tage bei ihrer Tante und ihrer Großmutter, bevor Lord Brightwell sie wie versprochen abholte und erneut nach St. Aldwyns brachte.
    Als die Kutsche an der Schule eintraf und Lord Brightwell wieder allein zur Tür ging, schien Miss Kirby aufgeregter und nervöser als je zuvor. »Oh, Sie sind es, Lord Brightwell. Ich fürchtete, es könnte diese verschleierte Frau sein, die noch einmal zurückkommt.«
    »War sie bereits hier? Es ist noch nicht einmal ein Uhr.«
    »Sie kam früh. Und sie war sehr verärgert, als ich ihr nicht sagte, was sie gern wissen wollte. Sie haben sie ganz knapp verpasst.«
    Olivia, die sich in nächster Nähe in der Kutsche befand, schaute zum hinteren Fenster hinaus und sah, wie eine Gestalt in dunklem Umhang, Hut und dichtem Schleier in eine Kutsche stieg, die an der Hauptstraße wartete. Ihr sank das Herz. Hatte sie gerade eben ihre Mutter verpasst?
    »Meine Schwester ist unterwegs, um eine neue Schülerin von der Abendpostkutsche abzuholen«, erklärte Miss Kirby. »Wäre es Ihnen recht, in, sagen wir, einer Stunde wiederzukommen?«
    »Danke. Können mein Mündel und ich eine Runde durch die Schule drehen, während wir warten?«
    Olivia hörte ihr Stichwort und stieg aus der Kutsche.
    Miss Kirby beobachtete mit scharfem Blick, wie Olivia näher kam. Sie geriet ins Stocken. »Ich weiß nicht … Das heißt, das ist eigentlich kein günstiger Zeitpunkt, Mylord. Da meine

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