Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)
aber ich sah, dass jemand ein Glas gegen den Kamin geworfen hatte, und seine Jacke auf dem umgefallenen Stuhl …«
Mrs Keene schüttelte mit schmerzlicher, verwirrter Miene den Kopf.
»Aber … wer war es dann, Mama? Wen habe ich niedergeschlagen?«
Dorothea warf einen kurzen Blick zu Lord Brightwell und schaute dann wieder auf ihre Hände. »Vielleicht können wir uns später darüber unterhalten. Wir haben uns gerade erst wiedergefunden. Und … du sagst, dein Vater ist verhaftet worden?«
»Miss Cresswell glaubt, dass die Anklage Unterschlagung lautet.«
»Während andere Mr Keene die Verantwortung für Ihr … Verschwinden geben«, fügte Lord Brightwell hinzu. »Vor allem, da er aus dem Dorf geflohen ist, als wäre er schuldig.«
Betroffen runzelte Dorothea die Stirn. »Ich könnte es nicht ertragen, wenn er für ein Verbrechen bestraft würde, das er nicht begangen hat«, sagte sie. »Glaubt ihr, irgendein Friedensrichter würde ihn ohne Beweise verurteilen?«
»Wer liegt denn nun auf dem Friedhof?«, wollte Olivia wissen.
»Eine arme Zigeunerin und ihr Kind, die beide bei der Geburt gestorben sind. Miss Atkins wusste, dass der Kirchenaufseher es niemals gestatten würde, eine solche Frau auf dem Friedhof zu begraben, wenn sie ihn um Erlaubnis bitten würde. Also fragte sie ihn nicht.«
Olivia schüttelte immer wieder den Kopf.
»Ich habe mich so schuldig gefühlt, so abartig. Zu denken, dass mein eigener Vater …«, Olivia hielt inne und schaute zwischen ihrer Mutter und Lord Brightwell hin und her. » Ist Simon Keene mein Vater?«
Ihre Mutter starrte sie verständnislos an. Dann blickte sie zu Lord Brightwell, der neben ihrer Tochter saß, und langsam fing sie an, die Frage zu begreifen. Trotzdem zauderte sie.
»Lord Brightwell dachte … das heißt, wir …«, stammelte Olivia.
»Wir hatten die Hoffnung«, ergänzte der Earl und nahm Olivias Hand.
»Ach, Olivia.« Unsicher verdüsterte sich ihr Gesicht. »Miss Kirby sagte mir, Lord Brightwell habe dich unter seinen Schutz genommen, aber ich hätte nie gedacht –«
»Sie haben sie Olivia genannt«, sagte der Earl in beinahe klagendem Tonfall.
Sie zuckte zusammen, als hätte sie sich weh getan. »Sehr töricht von mir, ich weiß. Aber in Wirklichkeit habe ich diesen Namen immer geliebt und hatte schon als Mädchen vor, eine Tochter eines Tages so zu nennen.« Sie streifte den Earl mit einem verlegenen Blick. »Und es stimmt, ich mochte den Namen auch aus anderen Gründen.«
Dorothea schaute auf die verschlungenen Hände von Olivia und Lord Brightwell und Tränen stiegen ihr in die Augen. »Du liebe Güte …«
Sie schluckte und senkte den Kopf. »Ich hatte gerade erfahren, dass ich ein Kind erwartete, als ich Brightwell Court verließ«, gab sie leise zu, die Wangen gerötet. »Und als Simon mich heiratete, war ihm das klar. Ich wusste mir nicht anders zu helfen. Wenn meine Familie von meiner Schande erfahren hätte, hätte sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollen. Ich konnte nicht selbst für meinen Lebensunterhalt sorgen und darüber hinaus wollte ich, dass das Kind in einer Ehe zur Welt kam. Legitim.«
Dorothea sah Oliver Bradley in die Augen und die Zeit schien stillzustehen. »Aber ich verlor das Kind kurz nach der Hochzeit.«
»Warum hat er mich dann so abgelehnt?«, brach es aus Olivia heraus, die sich plötzlich sehr jung fühlte.
»Ach, Olivia. Das war nicht deine Schuld.« Die Stimme ihrer Mutter bebte. »Er war furchtbar eifersüchtig und ich machte alles noch schlimmer, als ich nach der Fehlgeburt nach Brightwell Court zurückkehrte. Ich hätte das nicht tun sollen. Ich wollte mit eigenen Augen sehen, dass er wirklich und wahrhaftig verheiratet war und mich für immer verlassen hatte.«
Dorothea wandte sich mit Tränen in den Augen an Oliver. »Ich sah Sie beide im Garten. Ich sah, wie Sie sie umarmten und küssten. Mehr wollte ich nicht sehen. Es brach mein Herz und befreite mich gleichzeitig.«
Die Augen des Earls glitzerten feucht. »Ich wusste nicht, dass Sie da waren.«
Dorotheas Blick kehrte zu Olivia zurück. »Ich fuhr am selben Tag nach Hause zurück und warf mich in Simons Arme, entschlossen, einen Neuanfang zu machen. Aber dann sagte ihm jemand, dass ich in der Kutsche Richtung Osten gesehen worden wäre, und er beschuldigte mich, an diesem Tag einen Liebhaber getroffen zu haben.« Sie atmete tief durch. »Ich versicherte ihm, dass es nicht so war. Und eine Weile lang dachte ich, er hätte mir
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