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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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später, als Croome zu mir kam – niedergeschmettert über den gefallenen Zustand seiner Tochter –, wurde mir klar, dass sie sich vor Sebastian gefürchtet hatte, denn ihr Vater liebte sie offensichtlich über alles und hielt sie für die Unschuld in Person. Ich fragte mich, ob Sebastian gedroht hatte, Croome hinauszuwerfen, falls sie etwas verriet. Sebastian hatte nicht die Macht, so etwas zu tun. Aber ein Dienstmädchen konnte das nicht wissen und hatte auch keinen Anlass zu glauben, der Herr des Hauses würde ihr mehr glauben als seinem eigenen Bruder.
    Aber ich hätte ihr geglaubt. Die Erfahrung hatte mich gelehrt, Sebastian nicht zu vertrauen. Ich war wütend über mich selbst, dass ich ihm Herz und Haus geöffnet und damit weiterer Enttäuschung und Ausschweifung Raum gegeben hatte. Das war das Ende. Sebastian war nie mehr in Brightwell Court willkommen, auch wenn er hier aufgewachsen war. Es war nicht länger sein Zuhause.
    Croome gegenüber sagte ich nichts von meinem Verdacht. Ich sah keinen Grund dazu. Wahrscheinlich hätte Croome Sebastian getötet und hätte in der Henkersschlinge geendet. Und was wäre dann aus seiner Tochter geworden? Allein in der Welt, mit einem Bastard, den sie allein großziehen musste. Ich musste das Mädchen natürlich gehen lassen – damals behielt kein Herr ein schwangeres Mädchen, egal wie barmherzig seine Einstellung war. Ich gab ihr einen Vierteljahreslohn und hob heimlich Croomes Lohn an, um ihm zu helfen, für sie zu sorgen.
    Ich wusste, dass mein Bruder nichts für das Mädchen tun würde. Es blieb an mir hängen, Wiedergutmachung zu leisten. Wie immer.«
    Als sein Vater zu Ende gesprochen hatte, fragte Edward: »Hast du es ihm nie gesagt?«
    »Dass er ein Kind in die Welt gesetzt hatte? Meinst du, er hätte sich über die Nachricht gefreut? Hätte seine Pflicht gegenüber deiner Mutter – wenn sie überlebt hätte – und dir erfüllt? Niemals. Es hatte Gerüchte von anderen illegitimen Kindern gegeben, aber er hatte sich nie verpflichtet gefühlt, sich darum zu kümmern.«
    »Aber du bist nicht übers Land gezogen und hast seine anderen Kinder aufgenommen?«, fragte Edward in trockenem Ton.
    »Nein. Ich gestehe, daran habe ich nie gedacht. Allerdings war ich keinem seiner Opfer jemals persönlich begegnet, und hatte auch nicht zusehen müssen, wie es selbst und sein Vater zerstört wurden. Ich achtete Alices Vater, genau wie mein Vater vor mir. Die anderen namenlosen Frauen und ihr mutmaßlicher Nachwuchs berührten mich nicht. Aber dieses Mal war es anders.
    Trotzdem hatte ich zuerst nicht die Absicht, das Kind anzunehmen oder auch nur zu unterstützen, als ich das erste Mal erfuhr, dass es unterwegs war. Erst Monate später, nachdem deine Mutter einen toten Sohn zur Welt gebracht hatte … und ich mich an die Einschätzung des Arztes und der Hebamme erinnerte – keine Kinder für uns. Kein Sohn und Erbe …«
    Edward sagte: »Du wärst nicht das erste Mitglied des Hochadels gewesen, das mit dieser Enttäuschung konfrontiert wird.«
    Lord Brightwell seufzte. »In der Tat nicht. Aber wer hätte anstelle eines Sohnes geerbt? Kein anderer als mein Bruder Sebastian, der zweifellos alles verloren und Brightwell Court ruiniert hätte. Er hätte alles verkauft, was nicht niet- und nagelfest oder testamentarisch unverfügbar gewesen wäre. Er hätte das Haus an Fremde vermietet. Es schüttelt mich, wenn ich überlege, zu was er alles fähig gewesen wäre.«
    »Aber was ist mit Felix?«
    »Es gab keinen Felix, als ich die Entscheidung traf, dich zu meinem Sohn und Erben zu machen. Selbst wenn er bereits da gewesen wäre, hätte doch Sebastian zuerst geerbt. Ich bezweifle, dass es noch viel zu erben gegeben hätte, wenn Sebastian ein paar Jahre lang Earl von Brightwell gewesen wäre.«
    »Aber jetzt ist Sebastian tot.«
    Lord Brightwell atmete tief durch. »Ja.«
    »Also ist Felix dein rechtmäßiger Erbe.«
    »Felix ist ein Narr. Und mit diesem Tizianhaar und den grünen Augen ist er wahrscheinlich weniger ein Bradley, als du es bist. Meine Schwägerin hat ihre Rache genommen, vermute ich, obwohl das letzten Endes egal ist. Sie und Sebastian waren zum Zeitpunkt seiner Geburt verheiratet, also ist Felix in den Augen des Gesetzes ehelich, unabhängig, was über seine Mutter und einen gewissen rothaarigen Herzog gemunkelt wird.«
    Lord Brightwells Gesicht war müde. Er drückte sich die Finger auf die Augenlider. »Verzeih mir, Edward. Ich war noch nie jemand, der Gerüchte

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