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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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ist?«
    »Nein, mein Herr. Sie fürchtet sich zu sehr.«
    »Warum fürchtet sie sich?«
    »Sie sagt, wenn sie es verrät, wird sie fortgeschickt, und sie hat keinen Ort, an den sie gehen könnte. Ich sagte ihr, wenn sie es verriete, könnten Sie den Mann vielleicht dazu bewegen, Verantwortung zu übernehmen. Aber sie hält daran fest, dass sie nur hierbleiben kann, wenn sie es nicht sagt.«
    Edward runzelte die Stirn und fragte sich, warum in alles in der Welt das Mädchen so etwas dachte und wer ihr das eingeredet haben könnte. Einer der Dienstboten? Felix?
    Als er den Blick hob, sah er, dass Mrs Hinkley ihn prüfend musterte. »Also, Mrs Hinkley, Sie müssten es besser wissen, als anzunehmen –«
    »Natürlich nicht, mein Herr. Das Mädchen ist ohne Zweifel einfach nur töricht.«
    »Töricht, in der Tat. Glaubt sie, dies wäre ein Waisenhaus? Ein Heim für unverheiratete Mütter?«
    Mrs Hinkley senkte den Kopf. »Soll ich sie also wegschicken, Mylord?«, fragte sie mit dünner, ängstlicher Stimme. »Es ist so üblich, ich weiß.«
    Edward zuckte innerlich zusammen. Wie leicht hätte er dies noch vor wenigen Monaten angeordnet. Er blieb einen Moment reglos sitzen und stieß dann den Atem aus. »Nein, Mrs Hinkley. Sie sollen sie nicht wegschicken. Sagen Sie ihr, dass sie so lange bleiben kann, wie Sie mit ihrer Arbeit zufrieden sind, bis zur Geburt ihres Kindes. Wenn sie jemanden findet, der sich um das Kind kümmert, kann sie in angemessener Zeit wieder zu ihrer Stellung hier zurückkehren. Ansonsten kann sie mit einem Leumundszeugnis gehen. Aber, Mrs Hinkley, versichern Sie dem Mädchen, dass meine Entscheidung nichts damit zu tun hat, dass sie den Namen des Vaters verschweigt. Ist das klar?«
    »Ja, Mylord.« Mrs Hinkley atmete tief und erleichtert auf. »Danke, Mylord.« Sie strahlte ihn an, als sie sich rückwärts zur Tür bewegte. Ihm fiel auf, dass er nie zuvor ein so herzliches Lächeln an ihr gesehen hatte.

     
    Es waren einige Wochen seit dem Begräbnis vergangen, als Lord Brightwell Osborn wieder mit der Einladung zu Olivia schickte, ihn in der Bibliothek aufzusuchen, sobald es ihr möglich wäre.
    Olivia flocht Audreys Haar zu Ende und drückte Andrew ein Buch in die Hand, dann ließ sie die Kinder in der Obhut von Becky und Miss Peale zurück und machte sich auf den Weg nach unten. Als sie die Eingangshalle erreichte, eilte Osborn von seinem Posten herbei und öffnete ihr die Tür zur Bibliothek, machte sich aber nicht die Mühe, sie anzukündigen.
    Olivia trat ins Zimmer und sah, dass der Earl über ein Wirtschaftsbuch gebeugt an seinem Schreibtisch saß. »Oh nein«, murmelte er, »ich kann diese Zahlen nicht erkennen.«
    Sie wartete, bis Osborn die Tür hinter ihr geschlossen hatte und sie vor seinen allzu neugierigen Augen und Ohren sicher war.
    Lord Brightwell hob den Kopf, als die Tür leise ins Schloss fiel. »Ah, Olivia, meine Liebe.«
    Sie näherte sich dem Schreibtisch und fragte ruhig: »Kann ich Ihnen helfen, Mylord?«
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Meine Augen werden schlechter, das muss ich einsehen, auch wenn ich am liebsten blind dafür wäre. Ich kann nichts dagegen tun.«
    »Außer Wortspiele darüber machen?«
    Er lachte in sich hinein. »Zumindest hat mich mein Humor noch nicht verlassen. Können Sie das lesen?«
    Sie spähte über seine Schulter. »Zweitausendsiebenundneunzig.«
    »Und der Ertrag dieser Fläche im letzten Jahr?« Er deutete auf eine Zahl in der Spalte daneben.
    »Eintausendneunhundertzweiundsechzig. Für eine Summe von viertausendeinundvierzig.«
    »Das haben Sie im Kopf ausgerechnet?«
    Sie zuckte die Achseln. »Ich konnte immer gut mit Zahlen umgehen.«
    »Ihre Mutter hat Ihnen das beigebracht, nehme ich an. Sie war eine ausgezeichnete Lehrerin, das weiß ich noch.«
    Olivia erzählte ihm nicht, dass diese Fähigkeit von ihrem Vater gefördert worden war und auf welche Weise. Es hätte sie zutiefst beschämt, dies gegenüber Lord Brightwell zu erwähnen.
    »Nun gut, ich habe Sie nicht hergebeten, damit Sie meine Konten ausgleichen.« Er erhob sich und deutete auf die zwei Lehnstühle am Feuer. »Bitte setzen Sie sich.«
    Sie folgte der Aufforderung; als sie ihre Röcke glattgestrichen hatte und den Kopf hob, stellte sie fest, dass sein Blick auf ihr ruhte.
    »Für mich ist Ihre Anwesenheit sehr tröstlich, Olivia. Ich vermute, das liegt daran, dass Sie Ihrer Mutter so ähnlich sind. Und sie war mir einmal eine teure Freundin.«
    Er schaute auf

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