Das Schweigen der Schwaene
trainieren oft genug. Mehr wäre zuviel.«
Sie hatte sich gedacht, dass er ihr diese Antwort geben würde, aber der Versuch hatte nicht wehgetan. In der Tat hatte er wahrscheinlich recht. Die Fortschritte, die sie in der vergangenen Woche in den Bereichen Angriff und Verteidigung erzielt hatte, genügten ihr. Aber sie brauchte bestimmt noch eine ganze Weile, bis ihr auch nur ein einziger der
Bewegungsabläufe natürlich erschien. »In Ocachobi habe ich nicht gerade viel über Waffen gelernt«, wagte sie sich zögernd vor.
»Das ist nicht mein Gebiet, sondern Jamies. Wenn er kommt, können Sie ja versuchen, ihn zu überreden, dass er Ihnen zeigt, wie man schießt.«
»Mit Messern kenne ich mich auch nicht aus.«
Er hob den Kopf und sah sie an. »Ich werde Ihnen beibringen, wie man sich gegen einen Angriff mit dem Messer wehrt, aber ich werde ihnen nicht zeigen, wie man eins benutzt. Gegen Maritz hätten Sie sowieso keine Chance. Sie können nicht in drei Monaten lernen, was er sich im Verlauf von Jahren angeeignet hat.« Er stand auf und schenkte ihr einen Kaffee ein.
»Sie suchen sich besser eine andere Waffe aus, haben einen verdammt guten Plan oder eben einfach Glück.«
»Was ist mit Gardeaux? Was brauchte ich für Gardeaux? «
»Gardeaux überlassen Sie mir.«
»Das kann ich nicht. Er hat den Befehl gegeben.« Sie hob die Kaffeetasse an den Mund. »Erzählen Sie mir was über Gardeaux.«
Er setzte sich vor den Kamin und schlang die Arme um die Knie. »Sie haben mir doch erzählt, Sie hätten sich über ihn kundig gemacht.«
»Ich weiß, was Newsweek über ihn weiß. Aber ich will wissen, was Sie über ihn wissen.«
»Er ist clever. Er ist vorsichtig. Er will ganz nach oben kommen in der Hierarchie des Drogenkartells.«
»Ich dachte, er wäre bereits ein großes Tier.«
»Er ist noch einer der niedrigeren Chargen, aber er sitzt auf dem aufsteigenden Ast. Er will neben Sandequez, Juarez und Paloma regieren. Sie haben die wahre Macht, und genau das ist es, was er liebt. Außerdem liebt er Geld und schöne Frauen und hat eine Leidenschaft für seltene, antike Schwerter.«
Sie erinnerte sich, dass in einem der Artikel die Rede von einer Schwertsammlung gewesen war. »Leidenschaft? «
Er zuckte mit den Schultern. »Leidenschaft. Vielleicht ist sie nur ein Zeichen seiner Sehnsucht nach Macht.«
»Eine Art Pha llussymbol? «
Er grinste. »Sozusagen. Obwohl der Vergleich ein bisschen hinkt.«
»Er ist verheiratet? «
»Seit über zwanzig Jahren, und es hat den Anschein, als bete er seine Frau und ihre beiden gemeinsamen Kinder geradezu an.«
Er sah sie an. »Obgleich ihn diese Anbetung nicht davon abhält, eine Geliebte in Paris zu haben.«
»Sie wissen, wer seine Geliebte ist? «
»Simone Ledeau, ein Model. Aber über sie kommt man nicht an ihn heran, falls Sie das denken. Gardeaux macht seinen Damen immer unmissverständlich klar, was mit ihnen im Fall eines Verrats passiert.«
»Wie? «
»Wahrscheinlich lädt er sie zu einer der privaten
Fechtveranstaltungen ein, die es regelmäßig in dem Theater auf Bellevigne gibt. Wenn er einen Verräter öffentlich bestrafen will, dann zwingt er ihn zu einem Kampf mit einem jungen Fechtmeister, der in seinen Diensten steht.«
»Mord? «
»Mord. Obwohl der andere Mann immer einen Degen zu seiner Verteidigung ausgehändigt bekommt.«
»Und was ist, wenn dieser andere Mann gewinnt? «
»Dann darf er gehen, aber Gardeaux' Fechter, Pietro, hat seit über zwei Jahren noch jeden Gegner besiegt. Fechten ist nicht gerade ein Sport, den man in jedem x-beliebigen Fitnessstudio beigebracht bekommt.«
»Aber was war vorher? Wenn Pietro erst seit zwei Jahren ungeschlagen ist, dann hat vorher ja wohl offenbar einmal die andere Seite gesiegt.« Plötzlich kam ihr ein Gedanke. »Sie vielleicht? «
»Nein.« Er blickte auf seine Hände. »Und der andere hat, obwohl er gesiegt hat, nicht überlebt.«
»Gardeaux lässt also niemanden, den er einmal in seinen Fängen hat, wieder frei? «
»O doch.« Mit einem Mal stand er auf. »Ich fahre in die Stadt.«
»Jetzt? Aber warum? « fragte sie verblüfft.
»Ich habe die Fragen und das ständige Gerede über Gardeaux und Maritz satt.« Er wandte sich zum Gehen. »Ich ersticke noch mal daran.«
Ihre Fragen hatten ihn erst zu stören begonnen, als sie auf die Fechtkämpfe zu sprechen gekommen war, und sie sagte leise:
»Falls ich Ihnen zu nahe getreten bin, tut es mir leid.«
Statt einer Antwort schlug er die Tür
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