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Das Schweigen der Toten

Das Schweigen der Toten

Titel: Das Schweigen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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Küchentisch ihrer Mutter geschildert und dann zu Kat gesagt: «Wenn du Robert in der Schule siehst, sei nett zu ihm. Lächle ihm freundlich zu.»
    Zur Verwunderung aller kam Bob am nächsten Tag in die Schule, hitzig wie immer. Als sie ihm im Flur begegnete, erinnerte sich Kat an die Worte ihres Vaters und rang sich ein Lächeln ab. Er warf ihr einen vernichtenden Blick zu und ging wortlos vorüber.
    Es überraschte niemanden, dass er nach der Highschool Juniorpartner im Unternehmen seines Vaters wurde. Bob McNeil, so hieß es, musste mit Toten arbeiten, weil er mit den Lebenden nicht zurechtkam. Außerdem vermutete man, dass er bei seinem Vater wohnte, weil Arthur die einzige Person war, die ihn ertragen konnte.
    «Chief Campbell und Lieutenant Donnelly sind hier, um beim Einbalsamieren zuzusehen», sagte Arthur. «Komm ihnen bitte entgegen, wo es geht, in Ordnung?»
    Er wandte sich an Kat. «Robert ist vielleicht manchmal etwas grantig, aber er wird Ihnen bestimmt behilflich sein. Das ist er immer. Ich habe festgestellt, dass Kinder alleinerziehender Eltern sich auffallend auf die Bedürfnisse des verbliebenen Elternteils einstellen. Ist es bei Ihrem Sohn nicht auch so? Wie geht es ihm denn?»
    «Es geht ihm sehr gut», antwortete Kat.
    «Freut mich zu hören. James ist ein guter Junge. Etwas ganz Besonderes. Sie können stolz auf ihn sein.»
    Sie pflichtete ihm bei, und Arthur sagte lächelnd: «Es war schön, Sie mal wieder zu sehen, Kat. Lieutenant, war mir eine Ehre, Sie kennenzulernen. Robert wird Ihnen alle Fragen beantworten.»
    «Sie gehen?», fragte Kat und konnte ihren Unmut nicht verhehlen. Sie hatte ganz und gar keine Lust, mit Robert McNeil in diesem Raum zu bleiben.
    «Leider ja», antwortete Arthur. «Ich arbeite tagsüber, Robert nachts. Und, ehrlich gesagt, ist er der bessere Thanatopraktiker. Sie sind in guten Händen.»
    Arthur ging und ließ Kat und Nick mit seinem Sohn und einer Leiche zurück. Es war wieder wie in der Schule. Roberts bloße Anwesenheit reichte, um Kat nervös zu machen.
    «Wie geht’s dir, Bob?», fragte sie, um einen freundlichen Tonfall bemüht.
    Er zuckte nur die Achseln, schob sich die Maske über Nase und Mund und sagte: «Seid ihr bereit?»
    Mit der Maske und der Haube auf dem Kopf waren von seinem Gesicht nur die übergroßen Augen zu sehen, extrem verzerrt durch die dicken Brillengläser, die er seit der Schulzeit tragen musste und die ihn, wie Kat fand, aussehen ließen wie eine groteske Puppe.
    «Ich denke schon», antwortete sie. «Wie lange wird es dauern?»
    «Nicht lange. In diesem Fall gibt’s keine Probleme. Die Alte ist in guter Verfassung. Bei ramponierten oder aufgeschnittenen Leichen wie der von George dauert’s länger.»
    Bob schlug das weiße Laken zurück und entblößte den kalkweißen Leib von Barbara Hanover. Auf einem Rolltisch aus Edelstahl, den er heranzog, befanden sich mehrere Plastikflaschen, ein paar gefaltete Handtücher und medizinische Instrumente unterschiedlicher Größe und Form. Er tauchte einen Schwamm, der an einem Holzstab steckte, in eine schaumige Flüssigkeit und bestrich damit den Körper.
    «Was machst du jetzt?», fragte Kat, fasziniert von seinen routinierten Bewegungen.
    «Ich mache sie sauber», antwortete er und fuhr mit dem Schwamm über die Hängebrüste. «Mit einem Mittel, das Bakterien abtötet.»
    Mit einem langen Wattestäbchen, das er ebenfalls in die Flüssigkeit tauchte, säuberte er anschließend den Mund und die Nasenlöcher.
    Als er damit fertig war, machte er sich daran, Arme und Beine der Leiche zu kneten.
    «Zum Auflockern der Todesstarre», erklärte er über die Schulter hinweg.
    «Wird so mit allen Leichen verfahren?», wollte Nick wissen.
    «Mehr oder weniger, je nach Verfassung.»
    Er beschmierte die Hände mit einer butterfarbenen Lotion und massierte sie in die Haut ein. Die gleiche Behandlung ließ er dem Gesicht von Mrs.Hanover zukommen.
    «Eine Feuchtigkeitscreme», sagte er, «damit die Haut schön weich bleibt.»
    «Und wann balsamieren Sie den Leichnam ein?», fragte Nick.
    «Gleich. Zuerst muss ich ihn ein bisschen herrichten.» Er stopfte Watte in die Nasenlöcher und dann auch in den Mund. «Die Watte soll verhindern, dass Flüssigkeit ausläuft. So, das war der erste Schritt. Jetzt kommen die Augen dran.»
    Er nahm zwei kleine gewölbte Scheiben aus weißem Kunststoff vom Rollwagen. Sie sahen aus wie Kontaktlinsen und waren auf der einen Seite glatt, auf der anderen mit winzigen Zacken

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