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Das Schweigen der Toten

Das Schweigen der Toten

Titel: Das Schweigen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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versehen.
    «Das sind Augenkappen. Manchmal bleiben die Lider nicht geschlossen, und weil niemand sehen will, wie dem Verstorbenen die Augen aufgehen, muss man dafür sorgen, dass sie zu bleiben. Früher hat man dafür –»
    «Münzen verwendet», sagte Kat in schauriger Erinnerung an die Pennys, die auf George Winnicks Augen gelegen hatten.
    Bob hob zuerst das linke Lid, schob die Linse mit der glatten Seite auf den Augapfel und schloss das Lid wieder, das sich nun nicht mehr von alleine öffnen konnte. Mit dem rechten Auge verfuhr er ebenso.
    «Kommen jetzt die Lippen dran?», fragte Nick.
    Bob blickte auf und schien beeindruckt. «Richtig.»
    «Stimmt es, dass Sie sie zunähen?»
    «Ja, den ganzen Mund, am Kiefer. Bei George waren die Lippen vernäht, stimmt’s?»
    Kat nickte matt. Sie sah das schreckliche Muster noch vor sich, das die Naht auf Georges blutbefleckten Lippen bedeckt hatte.
    «Und warum sollte der Mörder das gemacht haben? Was glaubt ihr?»
    «Keine Ahnung», antwortete Kat. «Aber wir werden’s herausfinden.»
    «Ich zeig euch mal, wie’s der Profi macht», sagte er wichtigtuerisch.
    Er schien tatsächlich Gefallen an seiner Rolle zu finden und versuchte, Eindruck zu schinden. Seine Hände bewegten sich schnell und effizient wie die eines Zauberers oder Kartenspielers. Er wollte ihnen zeigen, wie geschickt er war. Und es ließ sich nicht leugnen, dass Bob McNeil sein Handwerk beherrschte.
    Er griff nach einer Nadel, die ungefähr fünfzehn Zentimeter lang und an der Spitze gebogen war.
    «Jetzt passt mal auf», sagte er und fädelte einen festen Kunststofffaden durch die Öse.
    Kat zuckte zusammen, als Bob den Mund öffnete und die Nadel durch das Zahnfleisch zwischen den unteren Schneidezähnen steckte, sie dann durch Rachen und Nasenscheidewand stach und zurück in den Mundraum führte. Schließlich zog er an beiden Fadenenden, bis die Zahnreihen aufeinanderlagen.
    «So wird’s gemacht.»
    Offenbar zufrieden mit seinem Werk nahm Bob einen sichelförmigen Gegenstand aus transparentem Kunststoff zur Hand, der wie die Augenkappen auf einer Seite kleine Zacken aufwies.
    «Das ist die Mundform», erklärte er, hob die Lippen der Toten an und stülpte ihr den Kunststoff über die Zähne, um anschließend die Lippen fest zu verschließen.
    Kat schreckte zusammen, als er plötzlich in die Hände klatschte und verkündete: «So, und jetzt wird einbalsamiert.»
    In einer Ecke befand sich ein zweiter Rollwagen, auf dem ein kastenförmiges Gerät stand, das zwei Drehknöpfe hatte und in der Mitte eine Messuhr. An der Seite steckte ein vergilbter Gummischlauch, und obenauf lag ein rechteckiger Behälter mit einem Deckel aus Edelstahl.
    «Ist das die Maschine zum Einbalsamieren?», fragte Kat, ein wenig entsetzt über den Zustand, der von jahrelangem Gebrauch zeugte.
    «Allerdings.»
    Aus einem Wandschrank holte Bob mehrere Flaschen, die alle mit dem Symbol für giftige Substanzen markiert waren. Dann streifte er dicke Gummihandschuhe über und sagte: «Setzt eure Masken auf. Immer schön flach atmen und Abstand halten.»
    Kat und Nick nahmen seine Warnung ernst und wichen zurück, bis sie mit dem Rücken die Wand berührten. Als Bob eine der Flaschen öffnete, legte Kat beide Hände auf ihre Maske.
    Bob war eine Weile damit beschäftigt, Mengen abzumessen und Flüssigkeiten umzugießen. Immer wieder warf er einen Blick auf den Leichnam, anscheinend noch unschlüssig, was und wie viel er von den einzelnen Lösungen verwenden sollte. Die Dämpfe der Chemikalien schienen ihm nichts auszumachen – im Unterschied zu Kat, die kaum zu atmen wagte.
    «Was mixt du da zusammen?», fragte sie, ohne die Hände vom Mund zu nehmen.
    «Arterienflüssigkeit, Koinjektionsflüssigkeit und ganz normales Wasser.»
    «Koinjektionsflüssigkeit? Was ist das?», wollte Nick wissen.
    «Ein Mittel, das das Gewebe hydriert.»
    «Verwenden Sie kein Formalin?»
    «Das ist die Arterienflüssigkeit.»
    «Ist so etwas frei verkäuflich?», fragte Kat.
    Bob rümpfte die Nase, als fühlte er sich von ihrer Ignoranz beleidigt. «Nicht in den Mengen, die man zum Einbalsamieren braucht. Das Zeug ist hochgiftig und leicht entzündlich.»
    Kat war überrascht. Ihre ersten und letzten Erfahrungen mit diesem Mittel hatte sie im Biounterricht der siebten Klasse gemacht, als sie gezwungen gewesen war, einen in Formalin eingelegten Frosch zu zerteilen.
    «Leicht entzündlich?»
    «Und wie», sagte Bob. «Wenn hier irgendwo ein Feuer ausbricht,

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