Das Schweigen der Toten
freue mich, Sie kennenzulernen, Lieutenant Donnelly.»
«Wir wollen nicht stören, aber bei unseren Ermittlungen stellen sich ein paar Fragen, die geklärt werden müssen», sagte Nick.
Arthur schüttelte traurig den Kopf. «Lassen Sie mich raten. Es geht um George Winnick. Wallace Noble hat mich bereits informiert, als ich mit ihm gesprochen habe, um die Überführung des Toten zu verabreden.»
Einerseits ärgerte sich Kat über die Geschwätzigkeit des Gerichtsmediziners, aber andererseits war sie froh, Arthur nicht selbst erklären zu müssen, was Sache war. Zumal sie selbst nicht alles verstand.
«Dann ist Ihnen also bekannt, dass Georges Mörder versucht hat, sein Opfer einzubalsamieren», sagte sie. «Um die Frage nach dem Warum beantworten zu können, möchten wir zunächst einmal wissen, wie so etwas vonstattengeht. Von Anfang bis Ende.»
Ihr war bewusst, dass ihre Bitte seltsam erscheinen musste, so seltsam, dass sie damit rechnete, von Arthur einen Korb zu bekommen. Doch der gab sich verständig und sagte: «Natürlich.»
Er führte sie in den Keller und zu einem kleinen Umkleideraum unter der Treppe. Als Erste legte Kat ihre Sachen ab und zog sich einen Kittel über, hellblau, wie der von Arthur, setzte eine lächerliche Haube auf und schlüpfte mit den Schuhen in Papierüberzieher.
Als sich anschließend Nick umzog, rief Arthur sie in den Raum, wo er seine Kunden präparierte.
Kat wollte auf dem Absatz kehrtmachen, kaum dass sie den Raum betreten hatte. Die weißgefliesten Wände wirkten so abstoßend kalt, dass sich auf ihren Armen Gänsehaut bildete. Alles war gespenstisch steril, geradeso wie in einem OP -Saal. Umhüllt von einer Wolke aus Ammoniak- und Formaldehyd-Dämpfen, schaute sie sich um.
In der Mitte des Raums lag ein toter Körper auf einem Tisch aus Edelstahl, von großen Lampen beschienen, die ein brutales weißes Licht abstrahlten. Der nackte Estrich darunter verlief abschüssig zu einem Abfluss hin.
«Hier findet es statt», erklärte Arthur und trat vor den Tisch.
Kat konnte ihren Blick nicht von der Leiche abwenden. Es war eine ältere Frau, die, abgesehen von Kopf und Füßen, mit einem weißen Tuch bedeckt war. Es dauerte eine Weile, ehe Kat erkannte, wer da lag.
«Das ist doch Barbara Hanover.»
Arthur nickte. «Sie ist vergangene Nacht im Schlaf gestorben.»
Als kleines Mädchen hatte Kat jeden Samstag Süßigkeiten gekauft in dem kleinen Laden, den Mrs.Hanover und ihr Ehemann führten. Sie war eine freundliche Frau gewesen, die immer ein Lächeln und ein Bonbon für sie übrig gehabt hatte. Hier vor ihrer Leiche zu stehen, gab Kat das Gefühl, sie auf unzulässige Weise zu stören.
Erleichtert bemerkte sie, dass jetzt auch Nick hereingekommen war, in einem frischgebügelten Kittel.
«Ich vermute, dass Sie über den Vorgang des Einbalsamierens nicht viel wissen», sagte Arthur.
«Überhaupt nichts», entgegnete Nick und sprach damit für sich und Kat. «Aber mir ist bewusst, wie wichtig es ist.»
Der Bestatter strahlte. «Oh ja, allerdings. Meine Hauptaufgabe besteht darin, Verstorbene so aussehen zu lassen, dass sie ihren Angehörigen in guter Erinnerung bleiben. Das hilft ein wenig über die Trauer hinweg.»
Kat erinnerte sich noch, wie ihre Eltern im Sarg ausgesehen hatten. Im Gegensatz zu dem, was Arthur McNeil sagte, hatte dieser Anblick sie überhaupt nicht getröstet, sie wünschte sich vielmehr, diese Bilder endlich loszuwerden.
Die Tür öffnete sich, und Arthurs Sohn Robert trat ein, ebenfalls im Kittel, über dem er eine Gummischürze trug.
«Was machen die denn hier?», fragte er seinen Vater in einer Lautstärke, die in der gedämpften Atmosphäre des Raums unangemessen wirkte.
Kat kannte ihn seit ihrer Schulzeit, und er hatte sich seitdem kaum verändert, war immer noch so rüpelhaft wie damals. Was mit Sicherheit daran lag, dass Bob als unansehnlicher Junge und Sprössling eines Leichenbestatters von den anderen geschnitten worden war.
Als seine Mutter – er war damals zehn – beschlossen hatte, statt unter Toten zu leben, selbst den Tod zu suchen, war es für Bob noch schlimmer geworden. Sie war mit mehreren Schichten übereinandergezogener Kleider und einem Ziegelstein in jeder Tasche in den Lake Squall gewatet und darin untergegangen.
Als Leota McNeil drei Tage später wieder an die Oberfläche gekommen war, hatte ausgerechnet Kats Vater sie gefunden.
Kat erinnerte sich noch an diesen Abend. Ihr Vater hatte die scheußlichen Umstände am
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