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Das Schweigen der Toten

Das Schweigen der Toten

Titel: Das Schweigen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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dich.»
     
    Kat und Henry trafen eine Minute vor Carl ein. Zu dritt bestiegen sie das Rettungsboot, das am Steg vertäut war. Obwohl es nur selten benutzt wurde, sprang der Motor sofort an und schob sie rasch über die glasige Wasseroberfläche.
    Kat saß vorn im Boot neben Henry und blickte angestrengt ins Dunkel.
    «Sehen Sie was?»
    Henry schüttelte den Kopf. «Nichts.»
    Ein strahlender Halbmond hing tief am Nachthimmel. Er schien so hell, dass der am Bug aufmontierte Scheinwerfer nicht gebraucht wurde. Am Ufer blitzten Lichtstrahlen durch die Bäume. Offenbar rückte Tony Vasquez mit dem Suchtrupp an.
    An Carl gewandt, der hinter ihr am Ruder saß, fragte Kat: «Dieser Anrufer, wo wohnt der?»
    Carl zeigte auf ein großes Haus, das direkt am Wasser stand. Auf der breiten Terrasse stand eine einzelne Gestalt, deren Umrisse sich vor dem Licht abzeichneten, das aus dem Haus nach draußen fiel. Als Kat winkte, winkte die Gestalt mit hocherhobenem Arm zurück. Kat fragte sich, wer dieser mysteriöse Anwohner sein mochte und wieso er hatte wissen können, dass es sich um einen Sarg handelte, der auf dem Wasser trieb.
    Plötzlich durchschnitt der Strahl einer Feuerwerksrakete den schwarzen Himmel. Ein Ball aus roten Funken platzte, und eine Sekunde später krachte es. Gleich darauf explodierten weitere Raketen, grün und gelb.
    Das Feuerwerk. Zeitlich genau im Plan.
    Kat betrachtete das Spektakel über den Baumwipfeln am fernen Seeufer. Buntes Licht glitzerte auf dem Wasser.
    Henry stand auf. «Ich glaube, ich sehe ihn.»
    Kat folgte seinem Blick und entdeckte ein schwarzes Rechteck, das in Ufernähe auf den Wellen wippte. Auf ihre Anweisung hin steuerte Carl darauf zu. Im Näherkommen schaltete er den Motor aus und ließ das Boot die restlichen Meter gleiten.
    Das Feuerwerk dauerte an. Kat richtete den Bootsscheinwerfer auf das Rechteck. Beleuchtet sah es aus wie eine exakte Kopie des Sargs, in dem Georges Leiche gelegen hatte. Unbehandeltes Holz. Ohne Merkmale. Anscheinend selbst geschreinert.
    Kat langte unter die Sitzbank und holte eine Teleskopstange hervor, auf deren Spitze ein großer Metallhaken steckte. Sie zog die Stange voll aus und schwenkte sie übers Wasser. Der Haken erfasste eine Ecke der Kiste, und mit Henrys Hilfe gelang es ihr, sie heranzuziehen.
    Polternd schlug sie gegen die Bordwand. Es musste sich ein schwerer Gegenstand darin befinden, so viel stand fest. Der Aufprall einer hohlen Kiste wäre weniger heftig gewesen.
    Der Deckel war vernagelt, hatte sich aber unter der Einwirkung des Hakens am Rand einen Spaltbreit geöffnet, weit genug, um mit den Fingern hineinzugreifen. Während Henry, über den Bootsrand gebeugt, die Kiste festhielt, zerrte Kat mit aller Macht am Deckel, bis er sich löste.
    In der Kiste lag Troy Gunzelman. Er war nackt und von Wasser umspült, das durch ein Leck in den Sarg gelaufen war. Es schwappte über den kreidebleichen Leichnam hinweg.
    Kat streckte den Arm aus und drückte zwei Finger auf die Innenseite des Handgelenks. Ein Pulsschlag war nicht mehr festzustellen.
    «Er ist tot», sagte sie.
    Hinter ihr im Boot begann Carl zu beten.
    «Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme, dein Wille geschehe …»
    Kat untersuchte die Leiche. Mund und Kinn waren blutverschmiert, die Lippen vernäht, so auch der Einschnitt am Hals, wo sich der Mörder wieder als Thanatopraktiker versucht hatte.
    «… und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.»
    Auf Troys Augen lagen zwei Pennys. Im dunklen Sarg sahen sie aus wie zwei Löcher, so, als wären die Augen entfernt worden. Kat richtete den Scheinwerfer auf den Leichnam. Im Licht blitzten die Münzen auf, und das Blut leuchtete unnatürlich rot.
    «Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.»
    «Amen», wiederholte Kat.
    Ihre Stimme ging im Geböller des Feuerwerks unter, das offenbar zum großen Finale ausholte, denn der Himmel erstrahlte jetzt in vielfarbigem Licht, bestaunt von Zuschauern, die noch nicht wussten, welch grausiger Fund gerade auf dem See gemacht worden war.
    Kat beneidete sie darum. Ihr eigenes Entsetzen war noch größer als nach dem ersten Mord. Diesmal hatte sie das Verbrechen kommen sehen und es nicht verhindern können.
    Nick Donnelly hatte recht behalten. Der Mörder war auf den Geschmack gekommen. Er sammelte Erfahrungen und würde nicht aufhören. Es sei denn, Kat brachte ihn zur Strecke.

Siebzehn
    Henry

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