Das Schweigen der Toten
habe.»
Seine gute Laune hielt den ganzen Abend über an. Während er einen Auberginenauflauf mit Parmesan zubereitete, unterhielt er James und Jeremy mit Scherzen und Geschichten. Den Jungen schmeckte sehr, was er gekocht hatte, und sie waren froh, dass ihnen das Fertiggericht erspart blieb, das Kat für sie vorgesehen hatte. Nach dem Essen wollte Nick sogar spülen, was Kat aber verhinderte, obwohl sie ihn nur zu gern gelassen hätte.
«Sie haben ein gemütliches Zuhause», sagte Nick, als der Tisch abgeräumt und das Geschirr im Spülbecken abgestellt war. «Und einen tollen Sohn haben Sie.»
Kat tat seine Bemerkung als Höflichkeit ab. Ihr Haus war bestenfalls bescheiden zu nennen. Auf beiden Etagen herrschte organisiertes Chaos, und das altmodische Mobiliar stammte noch von ihrer Mutter. An den Wänden hingen Familienfotos, billige Reproduktionen aus dem
Wal-Mart
und Kunstwerke von James aus dem Malunterricht. Überall flogen Sachen herum: alte Zeitschriften, Spielzeug und ein Stapel frischgewaschener Wäsche, die sie aus Zeitmangel noch nicht hatte wegräumen können.
Die netten Worte über ihren Sohn wertete Kat allerdings als Kompliment. Es war nicht leicht, einen behinderten Sohn ohne die Unterstützung des Vaters großzuziehen. So musste sie beide Rollen in sich vereinen, Mutter und Vater, mal fürsorglich und mal streng sein. Nachdem sie das seit zehn Jahren übte, hatte sie endlich die Balance gefunden. Dahin zu gelangen war allerdings sehr kräftezehrend gewesen.
James begegnete Nick mit fröhlicher Aufgeschlossenheit und nicht mit dem Argwohn, den er sonst Fremden gegenüber an den Tag legte. Nick behandelte ihn wie einen ganz gewöhnlichen Jungen seines Alters und sprach mit ihm über Sport, Hunde und Mädchen. James und Jeremy halfen ihm, den Tisch abzuräumen und bombardierten ihn mit Fragen.
«Jungs», sagte Kat, «geht nach oben spielen. Lieutenant Donnelly möchte jetzt bestimmt ein bisschen verschnaufen.»
Maulend zogen die beiden ab.
«Gute Jungs», sagte Nick.
«Das Lob kann ich nur für einen der beiden in Anspruch nehmen. Trotzdem, vielen Dank. Übrigens, das Essen war köstlich. Wo haben Sie so gut Kochen gelernt?»
«Bei meiner Großmutter. Sie hat Wert darauf gelegt, dass ich mich in einer Küche zurechtfinde.»
«Ich finde mich kaum in meiner eigenen zurecht.»
«Sie haben sich ja auch noch ein paar andere Gedanken zu machen.»
Er hatte zwar ihre Arbeit im Sinn, doch bezog Kat seine Bemerkung auf ihr Privatleben. Natürlich machte sie sich Gedanken um James, aber sie musste so viel arbeiten, um für sich und ihn zu sorgen, dass ihr die Zeit fehlte, jene Dinge zu tun, die für bessere Mütter selbstverständlich waren. Zum Beispiel anständige Mahlzeiten zuzubereiten und Versprechen einzuhalten wie den gemeinsamen Besuch des Feuerwerks.
«Das Leben als berufstätige Mutter ist manchmal ganz schön anstrengend», sagte sie.
«Ein Ehemann wäre wahrscheinlich hilfreich», erwiderte Nick. «Ich nehme an, Sie halten hier nirgendwo einen Mr.Campbell versteckt.»
«Nein.» Kat wackelte mit ihrem ungeschmückten Ringfinger. «Sein Vater lebt in Montana, ich hier. Den Ehering habe ich verkauft, als ich auf einer Urlaubsreise in Atlantic City Geld brauchte. Ich war froh, das Ding los zu sein. Es fühlte sich an wie –»
«Blei?»
Kat nickte. «Genau.»
Sie stand vor der Spüle, hantierte mit dem Geschirr und suchte nach einer eleganten Möglichkeit, das Thema zu wechseln. Nick wusste ihr Schweigen zu deuten und kam auf die Ermittlungen zu sprechen.
«Ich weiß, Sie machen sich Sorgen», sagte er. «Wegen dieser anderen Faxgeräte.»
Kat griff nach einem Schwamm und dem ersten Teller. Ja, sie machte sich Sorgen, so sehr, dass sie es an der angetrockneten Tomatensoße auf dem Teller ausließ, an der sie entschlossen herumschrubbte.
«Vier Faxgeräte», sagte sie. «Das erste hat Georges Tod angekündigt, das zweite den von Troy Gunzelman. Das heißt, der Täter plant zwei weitere Morde.»
«Mit Sicherheit wissen wir das nicht.»
Aber Nicks Stimme verriet, dass er selbst keinen Zweifel daran hatte.
«Immerhin gab es fast zwanzig Hinweise aus der Bevölkerung», meinte Kat, um einen hoffnungsvolleren Ton bemüht.
«Und ich wette, jeder einzelne war nützlich und präzise.»
Kat rekapitulierte die Mitteilungen, die Lou erhalten hatte. Rund zehn Anrufer verdächtigten ihren Nachbarn, fünf weitere den eigenen Ehepartner, was im Hinblick auf die Entwicklung der Scheidungsrate
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