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Das Schweigen der Toten

Das Schweigen der Toten

Titel: Das Schweigen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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in seinem Kopf ordnen sollte.
    Wie gehetzt lief er durch die Straßen von Perry Hollow, zuerst die Main Street entlang, in der um diese Abendstunde kaum noch Verkehr herrschte, dann über den menschenleeren Marktplatz. Als er in eine der Seitenstraßen einbog, merkte er, dass er beobachtet wurde.
    Es war eigentlich nur eine Ahnung, ein warmes Gefühl im Rücken, als würde er von einem Laser angestrahlt. Als er sich umdrehte, sah er in einiger Entfernung denselben Mann, der ihm auch schon auf der Main Street und auf dem Marktplatz aufgefallen war, nur dass er sich vorhin noch nichts dabei gedacht hatte.
    Jetzt kapierte er es.
    Er wurde verfolgt.
    Unwillkürlich dachte er an die beiden Faxgeräte, die ihm vor die Tür gestellt worden waren. Kat hatte sich deswegen um ihn Sorgen gemacht. Er nicht.
    Bis jetzt.
    Jetzt fragte er sich, ob die mysteriösen Lieferungen womöglich von diesem Mann stammten. Wenn ja, wollte er lieber nicht wissen, was er als Nächstes vorhatte.
    Wieder warf er einen Blick über die Schulter. Vor der tiefstehenden Sonne war nur eine Silhouette auszumachen. Um seinen Beschatter erkennen zu können, würde Henry auf ihn zugehen müssen.
    Er fasste sich ein Herz und machte kehrt. Der Mann ging weiter, ohne zu zögern. Henry erkannte ein rosiges Gesicht, eine Polizeiuniform und ein Kreuz auf der Brust.
    Es war Carl Bauersox. Er nickte und sagte: «Guten Abend, Mr.Goll.»
    Er sprach den Namen wie
ghoul
aus, was aber, wie Henry vermutete, nicht beabsichtigt war. So unhöflich waren nur die Kollegen der
Gazette
.
    «Sind Sie mir auf den Fersen?»
    Das Gesicht von Kats Mitarbeiter wurde noch eine Spur röter. «Tut mir leid. Hab mich bloß gefragt, wohin Sie gehen.»
    «Warum?»
    «Die Chefin will es so.»
    Das hätte sich Henry denken können. Kat machte sich nicht nur Sorgen, sie handelte auch und hatte ihn nun unter Polizeischutz gestellt.
    «Seit wann folgen Sie mir?»
    «Seit gestern Abend. Ich habe aufgepasst, dass Sie sicher nach Hause kommen.»
    «Und dann?»
    «Dann sollte ich eine Weile warten für den Fall, dass Sie noch einmal ausgehen. Wenn ja, war ich gehalten, sicherzustellen, dass Sie unbehelligt bleiben.»
    «Warum bekomme ich nicht gleich eine Polizeieskorte?»
    Carl hatte offenbar keinen Sinn für Ironie. «Ich könnte ja mal mit der Chefin drüber reden.»
    «Sagen Sie ihr lieber, dass ich selbst auf mich aufpassen kann», entgegnete Henry. «Besser noch, ich sage es ihr selbst. Wo wohnt sie?»
    Carl nannte Chief Campbells Adresse, und als sich Henry auf den Weg machte, hörte er ihn hinter sich hertapsen.
    «Ich will nicht, dass Sie mir folgen, Carl.»
    Widerwillig schlug er eine andere Richtung ein und steuerte auf die Main Street zu. Henry ging weiter und passierte mehrere Blocks, bis er schließlich ein zweigeschossiges Haus erreichte, in dessen Einfahrt ein Streifenwagen stand. Gleich hinter dem Wagen fiel ihm etwas auf, das ihm merkwürdig vorkam.
    Halb versteckt hinter einem Ahornbaum stand eine junge Frau, deren Arme schlaff herabhingen. Sie starrte auf den Rasen zu ihren Füßen und regte sich nicht. Auf Henry wirkte es, als sei sie hypnotisiert.
    Er sprach sie an. «Hey, alles in Ordnung?»
    Sie antwortete nicht.
    Vorsichtig trat er auf sie zu. «Hallo? Hören Sie mich?»
    Keine Reaktion. Erst als er ihr auf die Schulter tippte, schreckte sie hoch. Sie war spärlich bekleidet, das Gesicht tränenverschmiert. Mit der verlaufenen Wimperntusche sah sie aus wie ein Waschbär. Ihre Haut war so weiß wie Porzellan. Dem Teint nach hätten sie Bruder und Schwester sein können.
    «Gibt’s ein Problem?»
    Das weiße Gesicht der jungen Frau bewegte sich langsam auf und ab. Dann richtete sie den Blick auf Kats Haus.
    «Kennen Sie Chief Campbell?»
    Erneutes Kopfnicken.
    «Brauchen Sie Hilfe?»
    Diesmal schüttelte sie den Kopf, schien sich aber plötzlich anders zu besinnen und nickte wieder.
    «Troy», sagte sie. «Es ist wegen Troy.»
    «Troy Gunzelman?»
    «Ich glaube –» Sie schluchzte und stammelte. «Ich … ich glaube, ich weiß, wer ihn getötet hat.»

Einundzwanzig
    Nach den schlechten Neuigkeiten über die vier Faxgeräte erbot sich Nick Donnelly, das Abendessen zu machen. Das war ein Angebot, das Kat nicht ausschlagen konnte, obwohl sie wusste, dass noch zwei weitere Mäuler zu stopfen waren. Aber als Nick ankam und sah, dass ihr Sohn und sein bester Freund mit am Tisch sitzen würden, nahm er es locker und meinte: «Gut, dass ich Berge von Lebensmitteln eingekauft

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