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Das Schweigen der Toten

Das Schweigen der Toten

Titel: Das Schweigen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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nach sechs. Wenn sie Amber retten wollte, war keine Zeit zu verlieren.
    Sie schaltete die Sirene ein und fuhr los. Henry rannte auf Höhe des Seitenfensters nebenher und wartete auf Anweisungen.
    «Nick ist in meinem Büro», schrie sie. «Berichten Sie ihm von dem Fax. Beeilung.»
    «Wohin fahren Sie?»
    Kat beschleunigte den Wagen und schüttelte Henry ab.
    «Zu Amber nach Hause», brüllte sie durchs Fenster.
    Noch ehe sie den Parkplatz verließ, hatte sie ihr Handy hervorgekramt. Sie steuerte mit einer Hand, wählte mit der anderen und nahm die Rechtskurve auf die Straße so eng, dass ihr Crown Vic einen Hydranten schrammte. Kat kümmerte sich nicht weiter darum. Sie musste Amber schnellstens erreichen.
    Sie trat aufs Gaspedal, jetzt musste Ambers Handy klingeln.
    «Geh ran, Amber», murmelte sie, als es zum zweiten Mal läutete. «Bitte, geh ran.»
    Sie bog scharf nach links in eine schmale Gasse ein, weil sie die Hauptstraßen der Stadt umgehen wollte. Es herrschte zwar kaum Verkehr, doch der Regen zwang zum langsamen Fahren.
    Beim dritten Klingelzeichen ging Amber Lefferts endlich dran.
    «Chief Campbell? Sind Sie’s?»
    Kat antwortete mit einer Gegenfrage. «Wo bist du?»
    «Zu Hause. Wir haben keinen Strom.»
    «Der ist in der ganzen Stadt ausgefallen. Bist du allein?»
    Amber zögerte. Ihr Schweigen zog sich in die Länge. Beunruhigt umklammerte Kat sowohl Steuer als auch Handy.
    «Amber? Bist du allein?», fragte sie wieder.
    Das Mädchen antwortete flüsternd. «Ich weiß nicht.»
    «Was soll das heißen?»
    «Eben hat jemand an die Tür geklopft und etwas davor abgelegt.»
    «Was?»
    «Einen Vogel.»
    Kats Herz raste.
    «Er ist tot», sagte Amber. «Wer tut so was?»
    Kat raste durch eine Seitenstraße. Vor ihr parkte ein Cadillac am Straßenrand. Die Bremsleuchten glühten, und plötzlich rückte der Wagen vom Bordstein ab. Kat trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch, um vorbeizuziehen.
    Fast hätte sie es geschafft.
    Der Cadillac scherte in die Fahrspur ein. Zuerst trafen sich nur die Seitenspiegel, dann prallte der Kotflügel auf Kats Beifahrertür. Kat wich mit einem Schlenker nach links aus und raste weiter. Anzuhalten kam für sie jetzt nicht in Frage.
    «Sind die Türen verriegelt?», fragte sie Amber.
    «Nein.»
    «Sorg dafür. Sofort!»
    «Warum?», fragte Amber. «Was ist los?»
    Kat brüllte ins Handy. «Tu’s einfach! Und mach erst wieder auf, wenn ich da bin.»
    «Was wollen –»
    Amber ließ den Rest ihrer Frage unausgesprochen. Kat antwortete nicht, da sie Schlösser schnappen hörte, als das Mädchen die Haustür verriegelte. «Es geht um ihn, stimmt’s?», fragte Amber schließlich. «Den Kerl, der Troy umgebracht hat.»
    «Es kommt im Augenblick einzig und allein darauf an, dass du dich in Sicherheit bringst», sagte Kat.
    Sie warf einen Blick auf den Tacho und beschleunigte auf fast hundert Stundenkilometer. Pfeilschnell schoss der Crown Vic über die Durchgangsstraße und zwang alle anderen Fahrzeuge zu riskanten Ausweichmanövern. Einen Volkswagen, der nicht schnell genug die Spur freigab, erwischte sie an der Stoßstange, die, losgerissen, einem entgegenkommenden Geländewagen vor den Kühler segelte.
    Kat hörte es hinter sich krachen, Glas bersten und Bleche kreischen, hielt aber ihren Blick stur nach vorn auf die Straße gerichtet.
    Am Telefon fing Amber an zu weinen. Kat hörte sie stockend atmen und schluchzen. «Ich will nicht sterben», winselte sie. «Helfen Sie mir, bitte.»
    «Dir wird nichts passieren», versuchte Kat sie zu beruhigen. «Ich bin gleich bei dir. In zwei Minuten.»
    Die Scheibenwischer arbeiteten auf Hochtouren, kamen aber gegen die Regenmassen nicht an. Kat spähte nach vorn und sah das Haus der Lefferts’ hinter der nächsten Straßenecke auftauchen. Es war dunkel, wie alle anderen Häuser auch.
    «Bin schon zur Stelle», sagte sie. «Du kannst mir gleich die Tür öffnen.»
    «Schnell, schnell», drängte Amber.
    Und plötzlich schrie sie auf.
    «Amber, was ist?»
    Die Antwort des Mädchens grenzte an Hysterie. Den schrillen Lauten, die es von sich gab, konnte Kat nur ein Wort entnehmen. Vogel.
    «Ein Vogel?»
    «Noch einer», kreischte Amber.
    «Wo? Auf der Veranda?»
    «Nein», antwortete Amber. «Hier, im Haus.»
    Statt am Straßenrand zu parken, fuhr Kat über den Gehweg in den Vorgarten und hielt mitten auf dem Rasen. Das Handy am Ohr sprang sie aus dem Wagen.
    «Da sind noch mehr, im Flur. Oh Gott, überall!», schrie Amber.
    Auf halbem Weg

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