Das Schweigen der Tukane

sicher nie etwas los gewesen. Ausnahmen wie Grauwiler ausgeschlossen. Wenn sie dann im Rhythmus von zwei Stunden jemanden empfängt, ergibt es deine vier. Ohne Mittagszeit wären es drei.»
    «Dann addier einmal die Beträge vom Januar und dann die vom Februar.»
    «Zehn, zwanzig, dreissig … Im Januar rund neunzigtausend, im Februar knapp achtzigtausend.»
    «Im Januar sind es genau achtundachtzigtausendfünfhundert Franken gewesen, im Februar sechsundsiebzigtausend. Am Wochenende schaffte sie nicht an. Dann kannst du noch eine Woche abziehen.»
    «Weshalb? Ah, schon gut, ich weiss, wegen Frauengeschichten.»
    «Genau. Dann bleiben rund drei Wochen pro Monat. Viertausend pro Tag, gibt maximal sechzigtausend Franken. Woher, bitte, stammt der Rest?»
    «Vielleicht hatte sie unterschiedliche Tarife?»
    «Das glaube ich nicht. Ich kläre diesen Punkt ab. Angenommen, sie verlangte immer tausend Franken, bleibt eine Differenz von rund zehn- bis zwanzigtausend Franken pro Monat.»
    Eine Stunde später war klar, dass jeder ihnen bekannte Kunde einen Tausender bezahlte. Meistens dauerte das Schäferstündchen knapp zwei Stunden mit Sekt, einem Gespräch und anschliessendem Sex.
    «Somit steht fest, dass Nora Schüpfer sich noch etwas nebenbei verdiente. Du hattest recht.»
    «Könnte es sein, dass sie sich mit kleinen Erpressungen ihren kärglichen Beischlaflohn aufbesserte, Francesco?»

15. Kapitel
    Monika begleitete am Sonntagnachmittag ihre und Ferraris Mutter zu einem Benefizkonzert im Stadtcasino mit anschliessendem Apéro riche. Eine gute Gelegenheit, sich mit Nikki den Auswärtsmatch gegen den FC Luzern anzuschauen auf Swisscom-TV und neustens mit HD-Qualität. Der FCB gewann knapp, aber verdient dank zwei Toren von Streller und Frei. Ohne die beiden Knippser wären wir nur Mittelmass. Der Kommissär setzte sich gut gelaunt an Monikas PC und legte seine System-Lotto-CD ein. Ich werde mein neues System nochmals überprüfen und durchspielen. Nach anderthalb Stunden druckte Ferrari stolz ein Blatt aus. Das ultimative System! In der nächsten Woche knacke ich damit den Jackpot. Monika wird Augen machen, wenn ich die Scheinchen auf den Tisch blättere.
    «Hallo, Francesco! Ich bin wieder da.»
    Es gelang ihm gerade noch, seine CD aus dem PC zu entfernen und sich auf der «baz»-Homepage einzuklicken, um die neusten Sportresultate anzuschauen, bis Monika ins Arbeitszimmer kam und ihn küsste. Uff, das war knapp.

16. Kapitel
    Georg teilte Ferrari am Montag mit, dass sie die Fahndung nach Nora Schüpfer und ihrer Tochter einstellen würden beziehungsweise nur noch auf Sparflamme weiterführen könnten, weil die Kolleginnen und Kollegen am Anschlag seien, und gab ihm gleichzeitig zu verstehen, dass alle langsam, aber sicher Ergebnisse erwarteten. Schöner Wochenbeginn! Damit fielen die Chancen, Nora zu finden, auf den Nullpunkt. Wo blieb die viel gepriesene Unterstützung, die das dicke Walross noch am Samstag gross herausposaunt hatte? Nicht nur Georg wollte Resultate sehen, das gesamte Polizeikorps inklusive Borer, ach, was sage ich, die ganze Stadt machte gehörigen Druck. Mit den neusten Erkenntnissen mussten die Ermittlungen in eine andere Richtung gelenkt werden. Nora Schüpfers Kunden oder zumindest ein paar wurden wahrscheinlich erpresst. Im Bett war Mann meistens gesprächig, auch wenn es sich nur um käufliche Liebe handelte. Erst vor Kurzem wurde in England ein Minister aus dem Amt gekippt, weil er im Bett Amtsgeheimnisse ausgeplaudert hatte. Hm, vielleicht wurde Grauwiler doch von Nora erpresst und die Ablösung der Bürgschaft war ein taktisches Manöver, um an die zwei Millionen zu kommen. Stellte sich die Frage, ob Emma wirklich davon Wind bekommen hätte? Immer unter der Vorraussetzung, Sonderegger hätte ihr nichts davon erzählt. Denkbar wäre es.
    Sie knöpften sich die Freier nochmals vor, die sie namentlich kannten. Alle, ohne Ausnahme, behaupteten, dass sie nie von Nora Schüpfer erpresst worden seien. Ferrari ging Schritt für Schritt seine Notizen durch. Wir kommen und kommen nicht voran. Es gibt gerade mal zwei Anhaltspunkte. Grauwiler will alles Geld flüssig machen und Nora Schüpfers Einnahmen sind bedeutend höher, als unter normalen Bedingungen möglich ist.
    «Ich kann es mir folgendermassen vorstellen, Nadine: Nora Schüpfer will nach der Hochzeit aufhören, plant aber zum krönenden Abschluss noch einen letzten Coup. In Peter Grauwiler, der als Politiker im Rampenlicht steht, sieht sie das