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Das Schweigen der Tukane

Das Schweigen der Tukane

Titel: Das Schweigen der Tukane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gold
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ist wichtig. Oder war es wirklich nur die Art, wie sie geredet hat? Hm. Verrenne ich mich wieder einmal total? Der Hof lag im Dunkeln. Eine Ratte huschte über den Platz und blieb kurz im Lichtkegel der Beleuchtung stehen. Ihr Körper warf einen überdimensionalen Schatten.
    «Julie ist bei Rebecca. Sie schläft. Und Grauwiler hat tatsächlich am Abend vor seinem Tod mit Nora telefoniert.»
    «Bestens, danke. Was sagtest du vorhin? Sie hat das Ganze inszeniert.»
    «Einstudiert.»
    «Komm mit, Nadine.»
    Ferrari rannte die Treppe zum Labor hinunter. Noldi sass im Halbdunkel vor seinem Computer.
    «Hat sie gestanden?»
    «Beide Morde. Wann rief sie dich an?»
    «Sie hat vor meiner Wohnung auf mich gewartet.»
    «Wann war das?»
    «Ich bin so um halb sieben gegangen und war etwa eine halbe Stunde später zu Hause. Wir sind zu mir rauf, ich musste Nora zuerst einmal beruhigen.»
    «Und dann habt ihr euch unterhalten.»
    «Ja, etwa zwei Stunden. Danach rief ich euch an.»
    «Jetzt kommt eine ganz wichtige Frage, Noldi. Überleg bitte gut, bevor du antwortest. Hat sie dir den Tathergang der beiden Morde exakt geschildert?»
    «Nicht im Detail, aber schon einigermassen genau.»
    «Hat sie dir von ihren Taten erzählt oder eher nach dem Hergang gefragt?»
    «Ausgefragt? Nein, das nicht … Ich wollte natürlich schon sicher sein, dass sie keinen Mist erzählt. Aber ausgefragt hat sie mich nicht.»
    «Bist du sicher?»
    «Doch, schon. Du weisst ja, wie das so in einem Gespräch ist, und wir unterhielten uns echt lange. Ich versicherte ihr, dass ein Fluchtversuch scheitern würde. Die Flugplätze und Bahnhöfe würden überwacht, teilweise auch die Grenzen. Eine Frau mit einem Kind falle zudem besonders auf. Wenn sie sich jedoch freiwillig stelle, würde dies das Gericht sicher anrechnen. Dann betonte ich noch, dass das Beweismaterial, das ihr zusammengetragen habt, auf jeden Fall erdrückend sei.»
    «Und dann fragte sie sicher, welche Beweise.»
    «Ja. Ich weiss ja auch nicht alles, aber ich wollte ihr mit meinem Wissen zeigen, dass sie auf verlorenem Posten steht.»
    «Danke, Noldi.»
    «Mir tut Julie echt leid, das arme Mädchen. Nora natürlich auch … Nadine …»
    Sie drehte ihm den Rücken zu und verliess das Labor. Ferrari folgte ihr, nahm allerdings den Lift. Den Sport überlasse ich Jüngeren wie Nadine.
    «Du … Puh! Ich bin auch nicht mehr so in Form. Etwas stimmt nicht.»
    «Ganz richtig. Sie verkauft uns unsere Version als die ihre und sonst gar nichts, Nadine!»

19. Kapitel
    Wir müssen den Ansatz ändern, umdenken. Was bewegt eine Frau dazu, einen zweifachen Mord zu gestehen, obwohl sie unschuldig ist? Beziehungsweise wer kriegt sie zu solch einem Wahnsinn und mit welchem Druckmittel? Diesen Überlegungen lagen keine Fakten zugrunde, nicht mal Indizien, sondern einzig und allein ein ungutes Gefühl.
    «Wovor fürchtet sie sich, Nadine?»
    «Einer Mutter kannst du nur mit einem wirklich Angst einjagen, mit ihrem Kind.»
    «Du meinst, jemand setzt Nora mit Julie unter Druck?»
    «Ja, möglich wäre es.»
    «Aber die Kontoauszüge, sie ist eine Erpresserin und alles passt zusammen», haderte der Kommissär.
    «Was nicht zwingend bedeutet, dass sie die Mörderin ist.»
    «Du hast recht. Dann gibt es einen Komplizen.»
    «Das macht Sinn. Der Komplize ermordet Grauwiler und Thuri. Jetzt will er auch Nora zum Schweigen bringen.»
    «Beziehungsweise er droht ihr, Julie umzubringen, wenn sie nicht gesteht. Das ist es!»
    «Aber wer ist der grosse Unbekannte?»
    «Wir müssen mit Julie reden.»
    «Dürfen wir das?»
    «Darauf können wir keine Rücksicht nehmen. Es geht ja schliesslich um ihre Mutter und um ihre gemeinsame Zukunft. Du musst mit der Kleinen reden, Nadine.»
    «Das machen wir gleich morgen früh.»
    «Nein, jetzt!»
    «Spinnst du? Es ist halb elf.»
    «Wenn schon. Wir dürfen keine Zeit verlieren.»
    «Gut, ich rufe Rebecca an. Sturer Bock!», murmelte Nadine im Wissen, dass Widerstand ohnehin zwecklos war.
    Ferrari leistete von Wartburg Gesellschaft, der hoch erfreut war über den unerwarteten Besuch. Er sei schon immer ein Nachtmensch gewesen und im Alter brauche der Mensch sowieso nicht mehr viel Schlaf. Währenddessen sprach Nadine offen mit Rebecca über ihre Bedenken, was Noras Geständnis betraf, und ihr dringendes Anliegen, Julie zu befragen. Rebecca war mit dem Gespräch einverstanden und weckte die seit Stunden schlafende Julie.
    «Hallo, Julie!»
    «Nadine!» Sie rannte auf sie zu.

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