Das Schweigen der Tukane
nimmt an. Eine verkehrte Welt.
«Dann nehme ich auch einen.»
Nadine nippte am Glas.
«Ich vermute, dass Ihnen diese Frau Schüpfer einen Bären aufgebunden hat.»
«Das glaube ich nicht. Sie fürchtet um das Leben ihrer Tochter. Und wenn eines sicher ist, mit dem Leben ihrer Tochter spielt keine Mutter.»
«Wann soll das gewesen sein? Die Entführung meine ich.»
«Am letzten Mittwochnachmittag so gegen fünf.»
Sonderegger blätterte den Terminkalender durch.
«Für den Zeitraum habe ich kein Alibi. Keine Termine. Wahrscheinlich bin ich hier gewesen.»
«Sie wurde in einem schwarzen BMW entführt.»
«Es gibt mehr als nur einen. Ich bin zu einer Gegenüberstellung bereit. Das Mädchen soll mich identifizieren.»
«Das wird kein Staatsanwalt der Welt zulassen», vor allem bei dieser dünnen Beweislage ergänzte Nadine in Gedanken.
«Dann bringen Sie mich in ihre Nähe. Und wenn sie sagt, dass ich es war, können Sie mich einsperren. Worauf warten wir? Fahren wir ins Gundeli.»
«Wieso ins Gundeli?»
«Weil diese Nora Schüpfer im Gundeli wohnt.»
«Schenken Sie mir noch einen Cognac ein», bat Nadine, die ihr Glas in einem Zug geleert hatte.
Entweder ist dieser Sonderegger der gewiefteste Pokerer der Welt oder wir sind vollkommen auf dem falschen Dampfer. Ferrari rieb sich die Schläfen und warf Nadine einen warnenden Blick zu. Du verträgst nichts, halt dich zurück!
«Aber das mit den Drogen wäre möglich, unabhängig davon, ob Sie der Lieferant sind oder nicht.»
«Wie gesagt, ich kann beim besten Willen nicht glauben, dass Peter in eine solche Sache verstrickt war. Rein hypothetisch … ja, das wäre möglich und ein äusserst raffiniertes Vorgehen. Es wäre nie und nimmer herausgekommen.»
«Ausser bei einer Zollkontrolle.»
«Sehr, sehr unwahrscheinlich.»
«Weil Peter Grauwiler im Nationalrat sass?»
«Einerseits, aber wohl vor allem, weil Andrea von der Mühll im Vorstand sitzt. Sie ist die Frau von Horst von der Mühll, dem Leiter der Zollbehörde.»
Nadine sah vorwurfsvoll zu Ferrari. Der winkte ab. Sorry, ich kenne auch nicht alle in Basel, schien seine Mimik auszudrücken.
«Wissen Sie schon, ob Emma die Bürgschaft übernimmt?», wechselte Nadine abrupt das Thema.
«Ich werde erst nach der Beerdigung mit ihr reden, Frau Kupfer. Das wäre im jetzigen Zeitpunkt mehr als pietätlos.»
«Eigentlich blauäugig von Peter Grauwiler zu glauben, dass Robert Stolz senior oder Remo Kuster für ihn einsteigen würden.»
«Das war halt Peter, Herr Kommissär. Immer an das Gute im Menschen glauben.» Sonderegger lächelte. «Doch bei Remo Kuster wusste sogar er, dass es keinen Sinn macht. Aus diesem Grund hat er nur mit Stolz senior über die Bürgschaft geredet.»
«Sie irren sich!»
«Bestimmt nicht. Peter kannte die Geschichte von Remo und mir.»
«Sie sind per Du?»
«Ja, seit dieser elenden Erbschaftsgeschichte. Da könnten Sie ansetzen und mich einen Drecksack nennen, Frau Kupfer. Remo ist zu Recht sauer auf mich. Ich hätte ihm mit meiner Borniertheit beinahe die Karriere ruiniert. Peter wusste davon.»
«Trotzdem fragte er ihn. Vermutlich war er sein letzter Rettungsanker.»
«Unsinn! Das weiss ich nun mit Gewissheit besser als Sie, Frau Kupfer. Ich werde den vergangenen Mittwoch nie vergessen. Nachdem wir den toten Peter in die Kanzlei geschleppt hatten, bin ich noch eine Weile geblieben. Plötzlich war mir nämlich klar, was Peters Tod für mich bedeutet. Ich verlor an diesem Vormittag meinen besten Freund und gleichzeitig meine Existenz. Remo sah mir an, dass mich etwas Gewaltiges aus der Bahn geworfen hatte, aber er wusste nicht was. Er bot mir einen Kaffee an in der Hoffnung, ich würde mein Elend mit ihm teilen. Geschickt stellte er Fragen, was denn los sei? Wir hätten einen Freund verloren, aber da sei doch noch etwas anderes, was mich beschäftige. Er bohrte und bohrte, doch ohne Erfolg. Ich trank den Kaffee und ging. Ganz offensichtlich genoss er mein Leiden … Er rief mir hinterher: ‹Was es auch immer ist, hoffentlich macht es dich kaputt!› Sie sehen, Remo wusste hundertprozentig nichts von der Bürgschaft.»
«War Remo Kuster auch schon bei Ihnen im Lager?»
«Vielleicht mit Peter oder Emma. Gesehen habe ich ihn hier nie.»
Nadine erhob sich leicht schwankend und bot Hanspeter Sonderegger die Hand zur Versöhnung.
«Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, Herr Sonderegger. Ich glaube Ihnen.»
«Danke. Wenn ich Ihnen in irgendeiner Form helfen kann,
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