Das Schweigen des Glücks
ob die Bürde, ohne Mitch weiterzumachen, sie ihrer ganzen Lebenskraft beraubte. Er spürte, wie Angst in ihm hochstieg.
»Aber du ziehst nicht weg, oder?«, fragte er ungläubig. »Du bleibst doch in Edenton, ja?«
Nach einem langen Zögern schüttelte Melissa den Kopf.
»Wohin gehst du?«
»Nach Rocky Mount«, sagte sie.
»Aber warum?«, fragte er und bemühte sich um Fassung. »Du lebst seit zwölf Jahren hier… du hast Freunde hier… ich bin hier… Liegt es am Haus?«, fragte er rasch und wartete nicht auf eine Antwort. »Wenn es dir mit dem Haus zu viel wird, könnte ich vielleicht etwas für dich tun. Ich könnte dir ein neues bauen, du bekommst es zum Selbstkostenpreis, du musst nur sagen, wo… «
Endlich sah Melissa ihn an.
»Es liegt nicht am Haus – es hat nichts damit zu tun. Meine Familie ist in Rocky Mount und ich brauche sie jetzt. Und die Jungen brauchen sie auch. Alle ihre Cousins sind da, das Schuljahr hat gerade angefangen. Es wird ihnen nicht schwer fallen, sich einzuleben.«
»Willst du denn sofort wegziehen?«, fragte er und gab sich große Mühe, die Neuigkeit zu verkraften.
Melissa nickte.
»Nächste Woche«, sagte sie. »Meine Eltern haben ein älteres Mietshaus, in dem kann ich wohnen, bis ich das hier verkaufe. Es ist ganz in ihrer Nähe. Und wenn ich arbeiten muss, können sie sich um die Kinder kümmern.«
»Das könnte ich auch«, sagte Taylor hastig. »Ich könnte dich einstellen, du könntest die Bestellungen machen und die Rechnungen schreiben, von zu Hause aus. Du könntest dir deine Zeit selbst einteilen… «
Sie lächelte ihn traurig an.
»Warum? Warum willst du mich auch retten, Taylor?«
Bei den Worten zuckte er zusammen. Melissa musterte ihn genau, bevor sie fortfuhr:
»Das versuchst du doch, oder? Letztes Wochenende, als du hier warst und den Garten gemacht hast. Du spielst mit den Kindern, du bietest mir ein Haus und einen Job an… Ich bin dir dankbar für das, was du tust, aber es ist nicht das, was ich im Moment brauche. Ich muss auf meine Weise damit zurechtkommen.«
»Ich wollte dich nicht retten«, widersprach er und versuchte sich nicht anmerken lassen, wie sehr es ihm wehtat. »Ich weiß einfach, wie schwer es ist, wenn man einen Menschen verliert, und ich wollte nicht, dass du dich allein fühlst.«
Langsam schüttelte sie den Kopf.
»Ach, Taylor«, sagte sie fast mütterlich, »das ist das Gleiche.«
Sie zögerte und sah ihn verständnisvoll und traurig an. »Das machst du jetzt schon dein ganzes Leben lang. Du merkst, wenn jemand Hilfe braucht, und dann versuchst du, genau diese Hilfe zu geben. Und jetzt richtest du deine Aufmerksamkeit auf mich.«
»Ich richte meine Aufmerksamkeit nicht auf dich«, widersprach er.
Melissa ließ sich nicht von dem Gedanken abbringen und griff nach seiner Hand.
»O doch«, sagte sie ruhig. »Du hast es bei Valerie getan, als ihr Freund sich von ihr getrennt hat, du hast es bei Lori getan, als sie sich einsam fühlte. Du hast es bei Denise gemacht, als du gemerkt hast, wie schwierig ihr Leben ist. Überleg doch, was du alles für sie getan hast, von Anfang an.«
Sie hielt inne, damit er sie richtig verstand, und fuhr dann fort: »Du hast das Bedürfnis, die Dinge besser zu machen, Taylor. Das war schon immer so. Du willst es zwar nicht glauben, aber alles in deinem Leben beweist das immer wieder. Sogar deine Arbeit. Als Bauunternehmer machst du die Dinge heil, die kaputtgegangen sind. Als Feuerwehrmann rettest du Menschen. Mitch hat das an dir nie verstanden, aber ich sehe das ganz deutlich. So bist du einfach.«
Darauf hatte Taylor keine Antwort. Er wandte sich ab, innerlich wehrte er sich gegen ihre Worte. Melissa drückte ihm die Hand.
»Das ist nichts Schlechtes, Taylor. Aber es ist nicht das, was ich brauche. Und auf lange Sicht ist es auch nicht das, was du brauchst. Wenn du nach einer Weile das Gefühl hast, ich bin gerettet, dann gehst du weiter und suchst nach einem anderen Menschen, den du retten kannst. Und ich wäre sicherlich dankbar für alles, was du getan hast, nur dass ich die Wahrheit wüsste, warum du es getan hast.«
Sie brach ab und wartete auf Taylors Erwiderung.
»Was ist das für eine Wahrheit?« fragte er mit rauer Stimme.
»Dass du zwar mich gerettet hast, aber eigentlich versuchst, dich selbst zu retten, wegen deines Vaters. Und wie sehr ich mich auch bemühen würde, ich könnte dich niemals retten. Diesen Konflikt musst du selbst lösen.«
Die Worte trafen ihn mit einer
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