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Das Schweigen des Glücks

Das Schweigen des Glücks

Titel: Das Schweigen des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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als einer Woche fällig. Und zu allem Überfluss lag vor ihr noch die Rechnung von dem Abschleppdienst, der bestellt worden war, um ihr Fahrzeug vom Straßenrand zu entfernen.
    In dieser Woche betrachtete Denise ihr Leben als einen Haufen Scheiße.
    Es wäre alles halb so schlimm, wenn sie Millionärin wäre. Dann wäre es nichts weiter als eine kleine Unannehmlichkeit. Sie konnte sich gut vorstellen, wie eine reiche Dame bei einem gesellschaftlichen Anlass erklärte, wie lästig es gewesen sei, sich um derlei Dinge kümmern zu müssen. Aber wenn man lediglich zweihundert Dollar auf der Bank hatte, war es mehr als lästig. Dann war es ein echtes Problem, und zwar ein großes.
    Das Geld auf dem Girokonto reichte für die Rechnungen und auch noch für den normalen Lebensunterhalt, wenn sie sparsam war. In diesem Monat würde es jede Menge Frühstücksflocken geben, das stand schon mal fest, und zum Glück konnten sie im Diner bei Ray umsonst essen. Für die Selbstbeteiligung an den Krankenhauskosten – fünfhundert Dollar – konnte sie ihre Kreditkarte benutzen. Zum Glück hatte sie Rhonda angerufen – eine andere Kellnerin im Eights –, die bereit war, sie zur Arbeit und wieder nach Hause zu fahren. Damit blieb noch der Abschleppdienst. Die Firma hatte sich bereit erklärt, ihr die Kosten zu erlassen, wenn sie ihnen die Versicherungskarte aushändigte. Fünfundsiebzig Dollar für die Reste ihres Autos und sie wären quitt.
    Das Ergebnis? Eine zusätzliche Kreditkartenrechnung jeden Monat, außerdem müsste sie das Fahrrad benutzen, um ihre Einkäufe in der Stadt zu erledigen. Was noch schlimmer war, sie wäre davon abhängig, dass jemand sie zur Arbeit und wieder nach Hause führe. Für ein Mädel mit einem College-Abschluss war das kein besonderes Aushängeschild.
    Scheiße.
    Hätte sie eine Flasche Wein im Haus gehabt, sie hätte sie jetzt aufgemacht. Ein bisschen Benebelung würde ihr gut tun. Aber nicht einmal das konnte sie sich leisten.
    Fünfundsiebzig Dollar für das Auto.
    Auch wenn es fair war, irgendwie kam es ihr nicht richtig vor. Sie würde das Geld nicht einmal sehen.
    Nachdem sie die Schecks für die Rechnungen geschrieben hatte, klebte sie die Umschläge zu und frankierte sie mit ihren letzten Briefmarken. Sie würde bei der Post vorbeifahren müssen und notierte sich das auf dem Block neben dem Telefon, als ihr bewusst wurde, dass »vorbeifahren« eine ganz neue Bedeutung bekommen hatte. Wenn es nicht so armselig gewesen wäre, hätte sie gelacht, weil es so lächerlich war.
    Ein Fahrrad. Barmherziger!
    Sie versuchte, die gute Seite zu sehen: Wenigstens würde sie fit werden. Nach wenigen Monaten wäre sie vielleicht froh, so durchtrainiert zu sein. »Guck dir mal diese Beine an«, hörte sie die Leute schon sagen, »na, das sind ja richtig stramme Muskeln! Wie hast du das denn geschafft?«
    »Ich fahre Fahrrad.«
    Sie konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. Sie war neunundzwanzig und würde den Leuten vom Fahrradfahren erzählen. Barmherziger!
    Denise unterdrückte das Kichern – sie wusste, dass es ihre Reaktion auf die Anspannung war – und stand auf, um nach Kyle zu sehen. Er schlief tief und fest. Sie zog die Decke glatt und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange, dann setzte sie sich auf die hintere Veranda und überdachte erneut, ob die Entscheidung, nach Edenton zu ziehen, die richtige gewesen war. Sie wusste, wie unmöglich es war, dennoch wünschte sie sich, sie hätte in Atlanta bleiben können. Es wäre schön, wenn sie ab und zu mit jemandem sprechen könnte, mit jemandem, der ihr seit Jahren vertraut war. Natürlich konnte sie telefonieren, aber diesen Monat würde sie es sich nicht leisten können und auf gar keinen Fall würde sie ein R-Gespräch anmelden. Auch wenn es ihren Freunden nichts ausmachen würde, sie fühlte sich nicht wohl dabei.
    Trotzdem, sie wollte mit jemandem sprechen, aber mit wem?
    Mit Ausnahme von Rhonda, ihrer Kollegin im Diner, die zwanzig Jahre alt war und unverheiratet – und Judy McAden – kannte Denise in der Stadt niemanden. Als ihre Mutter vor ein paar Jahren starb, war das hart gewesen, aber es war eine ganz andere Situation als die jetzt, wo sie den Kontakt zu allen, die sie kannte, aufgegeben hatte. Es half auch nichts, zu wissen, dass sie allein verantwortlich war. Es war ihre Entscheidung gewesen wegzuziehen. Es war ihre Entscheidung gewesen, ihre Stelle aufzugeben, ihr Leben ihrem Sohn zu widmen. So zu leben war einfach – wie auch

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