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Das Schweigen des Lemming

Das Schweigen des Lemming

Titel: Das Schweigen des Lemming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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mit den Leuten vom Plessel nicht geklappt hat. Weil du ihnen entwischt bist. Und weil der Hörtnagl daraufhin   … mich engagiert hat.»
    Pokorny atmet aus. Legt dann den Rückwärtsgang ein, bringt den Wagen in Position und nimmt die letzte, kurze Etappe der Rundfahrt in Angriff. Pokorny starrt in die Dunkelheit, stumm und mit mahlenden Kiefern: die Inkarnation des einzig erträglichen schlechten Gewissens. Des schlechten Gewissens, das man anderen macht.
    «Schau, Pepi, ich hab ja nicht gewusst   … Am Anfang ist es ja gar nicht um dich gegangen   …»
    Rechts liegt die steile Auffahrt zum Wirtschaftshof. Pokorny nimmt sie, ohne sein Schweigen zu brechen. Vor dem Wachhaus stoppt er den Wagen und stellt den Motor ab.
    «Wie viel?», fragt er jetzt endlich. «Wie viel hat er dir gegeben?»
    «Fünftausend Euro   …», meint der Lemming betreten. «Und dann, nach dem Tod vom Florian, hat er mir noch einmal ein Kuvert auf den Tisch gelegt. Schweigegeld, damit ich alles brav für mich behalt   …»
    «Und? Wie viel war’s diesmal?»
    «Ich weiß es nicht, Pepi. Ich hab den Umschlag nicht genommen   …»
    Wortlos sitzen die beiden nun nebeneinander und mustern die steinerne Mauer, die sich im Licht der Laternen vor ihnen erhebt. Der Lemming wartet, dass Pokornys Groll verebbt. Und Pokorny selbst tut im Grunde nichts anderes. Weise der Mann, der erst dann wieder spricht, wenn das innere Brüllen verklungen ist   …
    «In Ordnung», brummt er nach einiger Zeit. «In Ordnung, es geht schon wieder   … Fünftausend also. Fünftausend für meinen Kopf   … Nix für ungut, Poldi, aber   … Da hätt ich mir schon ein bissel mehr erwartet   …»
    Ein kurzes, flüchtiges Grinsen, und der Lemming atmet auf. Ein Glück nur, denkt er, dass sein Kollege nicht weiß, wer den Großteil des Geldes bekommen hat. Dass der schnelle Finger und der Schmierer, die Zerstörer seiner Wohnung, dass Wallaund Pekarek, diese vandalischen Gürtelkoprolithen, statt der gerechten Strafe eine saftige Belohnung erhalten haben   …
    «Wenn ich dich recht versteh», fährt Pokorny jetzt fort, «dann hat der Hörtnagl dieses Gefecht auf der ganzen Linie verloren   …»
    «Das Gefecht hat er verloren», erwidert der Lemming. «Aber ein Scharmützel macht noch lange keinen Krieg   … Vor allem anderen hat er den Florian verloren. Dazu noch die Chance auf Plessels politische Gunst. Und was den Mantel des Schweigens betrifft, den er über die Geschichte breiten wollt, da hat er zumindest einen harschen Rückschlag erlitten   …»
    Pokorny nickt nachdenklich. «Weißt du», meint er dann, «der Alte tut mir schon fast wieder Leid   … Sie haben’s nicht leicht miteinander gehabt, er und der Floh. Trotzdem glaub ich, dass er ihn   … Na, dass er ihn halt irgendwie geliebt hat. Auf seine Weise. Eine hilflos verbohrte, patriarchalische Liebe   … Schon alleine, dass er den Florian Kunst hat studieren lassen: Da ist er über den eigenen Schatten gesprungen, damit ihm der Bub nicht auf ewig entgleitet   … Ich will ja gar nicht bestreiten, dass er ein mieser, hinterfotziger Dickschädel ist. Ein Arschloch, durchaus   … Aber kein Teufel   …»
    «Meinetwegen», brummt der Lemming achselzuckend. «Trotzdem wär es mir an deiner Stelle wurscht, ob’s ein Arschloch, ein Teufel oder der Herrgott persönlich ist, der mir das Rückgrat zu brechen versucht. Und für den Alten ist die Sache lang noch nicht vorbei, das kannst du mir glauben   …»
    «Wie meinst du das?»
    «Stell dir vor, es kommt irgendwann raus, dass sein eigener Sohn zu den meistgesuchten Verbrechern des Landes zählt, egal, ob posthum oder nicht: Dann wäre er zu seinem privaten Malheur auch noch beruflich erledigt. Da tät er sich nicht mehr erholen davon. Seelenpein hin oder her; er ist ein gewiefter Stratege, und du weißt ja, wie Strategen denken: Soverbrannt kann keine Erde sein, dass man sie nicht trotzdem okkupieren will. Man bedauert die Schäden und trauert um die Toten, aber deshalb gleich die Waffen strecken? Du wirst sehen, Pepi, der Alte wird so bald keine Ruhe geben.»
    «Wahrscheinlich hast du Recht   …» Pokorny reibt sich die Nase, runzelt die Stirn und wendet sich langsam dem Lemming zu. «Ich kapier nur eines nicht, Poldi. Nämlich   … warum du das getan hast. Warum du deinem eigenen Kollegen nachspionierst, noch dazu im Auftrag vom Hörtnagl. Was soll das heißen, es ist am Anfang nicht um mich gegangen? Worum soll’s denn sonst

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