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Das Schweigen des Lemming

Das Schweigen des Lemming

Titel: Das Schweigen des Lemming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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gegangen sein?»
    «Um den Pinguin, Pepi. Nur um den toten Pinguin. Der Alte hat mich engagiert, damit ich ihm den Vogelmörder bring. Und er hat mich – so ganz nebenbei – mit der Nase auf dich gestoßen. Dabei wär das gar nicht nötig gewesen; ich hab dich sowieso schon im Visier gehabt   …»
    «Aber   … Aber warum, verdammt? Wie kommst du drauf, dass ich   … Dass ausgerechnet ich   …»
    «Das kann ich dir sagen, mein Lieber. Weil der Täter eine Nachricht hinterlassen hat. Einen Zettel am Tatort, mit deiner Handynummer darauf. Man möcht fast meinen, der wollte den Verdacht auf dich lenken, verstehst du? Und das ist ihm leider auch gelungen; ich blöder Hund bin darauf reingefallen   …»
    «Allerdings, Poldi. Allerdings bist du drauf reingefallen   … Ich hab nämlich gar kein Handy   …»

26
    So wie der Wiener nur selten die Sehenswürdigkeiten seiner Stadt besucht, wie er also das Nächstliegende zugunsten des schwer Erreichbaren verschmäht, so verfährt er in der Regel auch mit seinen Gedanken. Das Leben in der Donaumetropole ist komplex, also versuchtman, es auf den entsprechenden geistigen Umwegen zu bewältigen. Man ergeht sich lieber in Betrachtungen von Jahresringen, statt einfach das Brett vor dem Kopf zu entfernen.
    «Wie   … Wie meinst du das, du hast kein   …»
    «Ich hab keines. Will ich nicht, brauch ich nicht, hab ich nicht. Nie gehabt, so ein Handy   …»
    «Momenterl   … Momenterl, Pepi   … Halt einmal   …»
    Der Lemming wuchtet Pokorny den schwarzen Koffer auf den Schoß, steigt aus dem Elektrowagen und nestelt sein Portemonnaie aus der Jacke. Klappt es auf und zieht den zusammengefalteten Zettel hervor, den er am Samstag im Schnabel des Vogels gefunden hat.
    «Da   … Bitte   …»
    Wie ein verschrobener Entomologe ein seltenes Insekt, so nimmt Pokorny nun das kleine Stück Papier in Augenschein.
    «Aha   … aha   … Achtzehnvierzehn   … Nein, Blödsinn   … Na, klar   … Theosophische Reduktion. Neun oder null   … Dann die Fünf   … Eine Nummer, Poldi. Stimmt schon   …»
    «Und du willst behaupten, dass es nicht deine ist   …»
    «Will ich.» Pokorny reicht dem Lemming den Zettel zurück und steigt nun seinerseits aus dem Wagen.
    «Und du hast auch keinen Anruf bekommen, vorgestern Mittag   …»
    Pokorny überlegt.
    «Schau, Poldi», sagt er dann, «ich weiß zwar nicht, was man mit so einem Handy alles machen kann, wenn man eins hat, aber es tät mich schon sehr beeindrucken, wenn man sogar damit telefonieren könnt, wenn man keins hat   …»
    «Dann versteh ich’s nicht   …», murmelt der Lemming. Und während er jetzt an der Seite Pokornys über den Vorplatz auf das Wachhaus zugeht, keimt einmal mehr diese Ahnung in ihm auf, dieses vage Gefühl, das er schon nach Stropeks Anrufim Kaufhaus
Strawinsky
hatte: das Gefühl, der Lösung des Rätsels so nahe zu sein, dass seine grauen Zellen die Arbeit verweigern. Dass sie nicht einmal mehr Dienst nach Vorschrift machen. Vernagelt eben, immer noch völlig vernagelt   …
    «Was verstehst du nicht? Sag’s mir, damit ich’s auch nicht versteh.»
    «Also   … Ich hab diese Nummer angerufen   … Am Montag. Und du   … Du hast dich gemeldet   … Na, jedenfalls hat sich da einer mit deinem Namen gemeldet   … Und dann gleich wieder aufgelegt.»
    «Hast du’s noch einmal probiert?»
    «Blöd werd ich sein. Damit du weißt, dass ich dir auf den Fersen bin   …»
    Grübelnd beugt sich der Lemming hinunter und sperrt den Eingang zum Wachhäuschen auf. Für einen Moment scheint das Knirschen des Schlüssels im Schloss geradewegs aus seinem Kopf zu kommen.
    «Wozu überhaupt?», brummt er leise. Und dann, etwas lauter: «Wozu soll einer eine falsche Fährte legen, wenn die Spur dann justament zu dem führt, der sie doch eigentlich aufspüren hätt sollen? Für den sie von Haus aus gedacht war, die Täuschung? Kannst mir das vielleicht erklären, Pepi?»
    «Kann ich.» Pokorny schiebt sich am Lemming vorbei und tritt in das Häuschen. «Gerade deshalb.
Weil
der Zettel an mich adressiert war. Komm schon, Poldi, ich zeig dir was   …» Pokorny durchquert den Raum, legt den Koffer auf den Schreibtisch und nimmt den Hörer vom mächtigen Diensttelefon des Wachpersonals.
    «Das hätt ich eh schon längst erledigen sollen   …», meint er und beginnt eine Nummer zu wählen. «Man muss sich ja schließlich zur Stelle melden, wenn man sie nicht verlieren will   …» Er

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