Das Schweigen des Sammlers
sehr gut.«
»Danke. Ich …«
»Nein. Verdirb es lieber nicht. Du solltest denken und von Zeit zu Zeit ein Buch schreiben. Aber halte dich von den Menschen fern. Geh einfach vorbei, verstehst du?«
Sie trank ihren Kaffee in einem Zug aus. Ich hätte sie gerngebeten, es mir erläutern, sah jedoch ein, dass es Unfug gewesen wäre, das Thema zu vertiefen. Außerdem hatte ich dir immer noch nichts von Laura erzählt. Ich hatte dir nichts erzählt, obwohl ich es problemlos hätte tun können. Und sie, statt auf mich loszugehen, pries meine Arbeit. Dabei hatte ich bei der Renovierung vier Wochen zuvor den Schreibtisch weggeräumt, der meinem gegenüber gestanden hatte, und verfügte nun über einen Tisch für mich allein. Ich musste mich an eine neue Art von Beziehung zu Laura gewöhnen. Ich dachte sogar, auf diese Weise bliebe es mir erspart, mit dir über diese Frau zu reden.
»Danke, Laura«, sagte ich.
Sie klopfte zweimal mit den Fingerknöcheln auf den Tisch und ging. Ich wartete einen Augenblick, um nicht mit ihr zusammen die Treppe hinaufgehen zu müssen. Umso besser, wenn Laura nicht mehr eingeschnappt ist, dachte ich. Omedes hatte gesagt, Laura Baylina, weißt du, diese niedliche Blonde?, also die macht einen irrsinnig guten Unterricht. Die ganze Klasse hängt wie gebannt an ihren Lippen. Freut mich, dachte ich. Und ich dachte auch, dass ihr die Gemeinheiten, die ich ihr angetan hatte, dabei geholfen haben könnten. Zu Omedes sagte ich, das hätte ich schon gehört; hin und wieder muss es ja auch mal gute Lehrer geben, nicht wahr?
Adrià Ardèvol stand auf und ging in seinem geräumigen Arbeitszimmer auf und ab. Er dachte an das, was Laura morgens zu ihm gesagt hatte. Vor den Inkunabeln hielt er inne und fragte sich, warum er immerzu studierte und nicht damit aufhören konnte. Aus einem seltsamen Drang heraus. Um die Welt zu verstehen. Um das Leben zu verstehen. Was weiß ich. Die Türklingel unterbrach seine Gedanken: rsrsrsrsrsrsrsrs. Er wartete ab, weil er davon ausging, dass Lola Xica öffnen würde, setzte sich wieder vor seinen Lewis und las ein paar Zeilen der Abhandlung über den Realismus in der Literatur.
»Howgh.«
»Was.«
»Caterina.«
Rsrsrsrsrsrsrsrsrsrs.
Er hob den Kopf. Caterina hatte anscheinend schon Feierabend. Er sah auf die Uhr. Viertel nach sieben. Unwillig riss er sich von Lewis los.
Er öffnete die Tür. Vor ihm stand Bernat mit einer Sporttasche in der Hand, sagte, hallo, darf ich reinkommen?, und noch ehe Adrià sagen konnte, klar, komm rein, war er schon drin.
Eine gute Stunde später kam Sara nach Hause, rief überschwänglich aus der Diele, zwei Märchen der Gebrüder Grimm!, stürmte mit Zeichenmappen bepackt ins Arbeitszimmer und fragte, hast du das Gemüse nicht aufgesetzt?
»Ach, hallo, Bernat«, grüßte sie. Und ihr Blick fiel auf die Sporttasche.
»Hör zu …«, begann Adrià.
Sara hatte schon verstanden und sagte zu Bernat, du bleibst zum Abendessen. Es klang wie ein Befehl. An Adrià gewandt, fuhr sie fort: sechs Zeichnungen pro Märchen. Dann ging sie hinaus, um ihre Mappen abzuladen und den Topf auf den Herd zu stellen. Bernat warf Adrià einen scheuen Blick zu.
»Du kannst das Gästezimmer haben«, sagte Sara, um das Schweigen zu brechen. Sie saßen alle drei vor dem Kloster von Santa Maria de Gerri, dessen nach Trespui weisende Seite trotz der nächtlichen Stunde im Sonnenlicht strahlte. Überrascht blickten die beiden Männer von ihren Tellern auf.
»Nun ja, du wirst vermutlich ein paar Tage bleiben wollen, nicht wahr?«
In Wahrheit, Sara, hatte Bernat mich noch gar nicht darum gebeten. Ich wusste, dass es darauf hinauslief, sträubte mich aber aus unerfindlichen Gründen, es selbst anzusprechen. Vielleicht fuchste es mich einfach, dass er nicht den Mumm hatte, mich zu fragen.
»Wenn es euch nichts ausmacht …«
Wie gern wäre ich gewesen wie du, Sara, so geradeheraus. Stattdessen bin ich nie imstande, den Stier bei den Hörnernzu packen. Und dabei handelte es sich um meinen besten Freund. Nachdem das Wichtigste nun geklärt war, verlief der Rest des Abendessens in gelösterer Stimmung. Bernat sah sich genötigt, uns zu erklären, dass er sich nicht von Tecla trennen wollte, aber wir streiten uns immer öfter, und ich mache mir Sorgen um Llorenç, der …
»Wie alt ist er?«
»Ich weiß nicht, siebzehn oder achtzehn.«
»Dann ist er doch alt genug, oder nicht?«, sagte ich.
»Alt genug wofür?«, entgegnete Bernat argwöhnisch.
»Für den
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