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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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Sheriff Carsons trockenes Ausspucken zwar, beachtete es aber nicht weiter.
    »Du bist ein Schweinehund. Ich weiß nicht, von wem du das hast, du dreckiger Hurensohn, ob von deiner Mutter oder deinem Mistkerl von Vater. Räuber, Erpresser.«
    »Wieso? Aber wenn ich doch …« Blickgefecht. »Einverstanden. Ich verzichte auf die Prämie.«
    »Meinst du etwa, ich traue dir, nachdem du mich jahrelang übers Ohr gehauen hast?«
    »Und warum habt Ihr mich dann beauftragt …«
    »Um dich auf die Probe zu stellen, du schwachköpfiger Sohn einer kranken räudigen Hündin. Diesmal landest du im Gefängnis.« Er machte eine kurze Pause, um dem Folgenden noch mehr Gewicht zu verleihen: »Du ahnst nicht, wie ich mich nach diesem Moment gesehnt habe.«
    »Howgh, Adrià, nicht so weitschweifig. Sieh doch, was sie für ein Gesicht macht!«
    »Immer habt Ihr mein Verderben gewollt, Tonton Jean. Ihr seid neidisch auf mich.«
    »Verdammt, Kleiner, hör zu, was Schwarzer Adler dir sagt! Das alles weiß sie längst. Du hast es ihr doch schon erzählt.«
    Jean-Marie Leclair sah Carson verwundert an und zeigte mit dem Finger auf ihn: »Was fällt dir ein? Ein dreckiger Cowboy wie du hat mir gar nichts zu sagen. Stinkstiefel!«
    »Langsam, langsam, mit Euch habe ich überhaupt nicht gesprochen. Und ein bisschen Respekt, wenn ich bitten darf.«
    »Schert euch zum Teufel, du und dein gefiederter Freund, der aussieht wie ein Truthahn mit diesem Kopfputz!«
    »Howgh.«
    »Howgh und weiter?« Leclair war völlig aus dem Konzept.
    »Statt Euch mit neuen Bekanntschaften aufzuhalten, solltet Ihr lieber den Streit mit Eurem Neffen fortsetzen, ehe die Sonne hinter dem westlichen Hügel versinkt.«
    Leclair sah Guillaume Vial leicht verwundert an. Dann zwang er sich, den Gesprächsfaden wiederaufzunehmen.»Und worum sollte ich dich beneiden, du verlauster Dreckskerl?«
    Vial, rot wie eine Tomate, fiel keine Antwort ein. »Lass uns lieber nicht ins Detail gehen«, entgegnete er, um etwas zu sagen.
    Leclair sah ihn verächtlich an.
    »Meinetwegen können wir gern ins Detail gehen: Aussehen? Figur? Talent im Umgang mit Menschen? Charme? Begabung? Moralische Größe?«
    »Das reicht, Onkel Jean.«
    »Es reicht, wenn ich es sage. Intelligenz? Bildung? Reichtum? Gesundheit?«
    Leclair nahm die Geige, spielte ein improvisiertes Pizzicato und betrachtete sie anerkennend.
    »Adrià.«
    »Was?«
    Sara setzte sich mir gegenüber. Schwach hörte ich hinter mir die Stimme Sheriff Carsons, der sagte, pass auf, Kleiner, diesmal ist es ernst. Und sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Du sahst mir in die Augen.
    »Das weiß ich alles schon. Das hast du mir doch längst erzählt.«
    »Ja, ja, Leclair sagte, das ist eine sehr gute Geige, aber sie ist mir scheißegal, verstehst du? Ich wollte dich lediglich hinter Gitter bringen.«
    »Ihr seid ein miserabler Onkel.«
    »Und du bist ein Halunke, den ich endlich entlarven kann.«
    »Der wackere Krieger hat nach so vielen Schlachten den Verstand verloren.« Ein trockenes Ausspucken bekräftigte die Feststellung des tapferen Arapaho-Häuptlings.
    Leclair zog an der Glockenschnur, und der Diener mit der verschnupften Nase trat zur hinteren Tür herein.
    »Gib dem Kommissar Bescheid. Er kann jetzt kommen.« Zu seinem Neffen: »Setz dich, wir werden auf Monsieur Béjart warten.«
    Sie kamen nicht dazu, sich hinzusetzen. Als Guillaume-François Vial auf dem Weg zu seinem Stuhl am Kamin vorbeikam, packte er den Schürhaken und rammte ihn seinem geliebten Onkel in den Kopf. Jean-Marie Leclair, genannt der Ältere, brach lautlos zusammen, der Schürhaken steckte in seinem Schädel. Blut spritzte auf den hölzernen Geigenkasten. Schwer atmend wischte sich Vial die Hände an seinem Mantel ab und sagte, du ahnst nicht, wie ich mich nach diesem Moment gesehnt habe, Onkel Jean. Er blickte sich um, schnappte die Geige, verstaute sie in dem blutbefleckten Kasten und floh über den Balkon zur Terrasse. Während er am helllichten Tag davonlief, kam ihm der Gedanke, dass er La Guitte einen nicht sehr freundschaftlichen Besuch abstatten sollte. Und mein Vater hatte sie lange vor meiner Geburt einem gewissen Saverio Falegnami abgekauft, dem rechtmäßigen Eigentümer des Instruments.
    Schweigen. Mehr konnte ich leider nicht dazu sagen. Oder nein, mehr wollte ich nicht sagen. Sara stand auf.
    »Dein Vater hat sie neunzehnhundertfünfundvierzig gekauft.«
    »Woher weißt du das?«
    »Er hat sie einem Flüchtling

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