Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
Vom Netzwerk:
abgekauft.«
    »Einem Mann namens Falegnami.«
    »Der auf der Flucht war. Und bestimmt nicht Falegnami hieß.«
    »Das weiß ich nicht.« Vermutlich sah man mir meilenweit an, dass ich log.
    »Aber ich weiß es.« Sie stützte die Hände in die Hüften und beugte sich vor. »Er war ein bayrischer Nazi, der fliehen musste und sich dank des Geldes, das ihm dein Vater bezahlt hatte, aus dem Staub machen konnte.«
    Eine Lüge oder eine Halbwahrheit oder mehrere Lügen, die sich in einen glaubhaften Zusammenhang stellen lassen, mögen für eine gewisse Zeit Bestand haben. Sie können sich sogar ziemlich lange halten. Aber niemals ein Leben lang, weil laut einem ungeschriebenen Gesetz für alles einmal die Stunde der Wahrheit kommt.
    »Woher weißt du das alles?« Er bemühte sich, überrascht, nicht ertappt zu klingen.
    Schweigen. Sie war wie eine Statue, kalt, herrisch, imposant. Da sie schwieg, redete ich ein wenig hastig weiter:
    »Ein Nazi? Na, dann ist es doch besser, wir haben sie, als dass sie ein Nazi hat.«
    »Dieser Nazi hatte sie einer belgischen oder holländischen Familie abgenommen, die so ungeschickt war, sich nach Auschwitz-Birkenau zu verirren.«
    »Woher weißt du das?«
    Woher wusstest du das, Sara … Wie konntest du wissen, was ich allein wusste, weil Vater es mir in aramäischer Sprache auf einem Blatt Papier hinterlassen hatte, das bestimmt nur ich gelesen habe?
    »Du musst sie zurückgeben.«
    »Wem?«
    »Den Eigentümern.«
    »Der Eigentümer bin ich. Sind wir.«
    »Ich habe damit nichts zu tun. Du musst sie ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgeben.«
    »Ich kenne sie nicht. Holländer, sagst du?«
    »Oder Belgier.«
    »Heiße Spur. Soll ich mich vielleicht in Amsterdam auf die Straße stellen und die Leute fragen, gehört die einem von Ihnen, dames en heren?«
    »Lass den Zynismus.«
    Darauf wusste ich keine Erwiderung. Was hätte ich auch sagen sollen, denn ich hatte ja immer befürchtet, dass dieser Tag kommen würde. Ohne die näheren Umstände zu kennen, wusste ich, dass es irgendwann so weit wäre: Ich würde dasitzen, die Brille in der Hand, auf dem Tisch läge die Storioni, und Sara würde die Hände in die Hüften stützen und sagen, dann geh der Sache nach. Es gibt schließlich Detektive. Oder wir wenden uns an eine Organisation, die sich um die Rückgabe geplünderter Kunstschätze kümmert. Sicher gibt es Dutzende jüdischer Verbände, die uns helfen können.
    »Sobald du auch nur einen Schritt tust, werden uns die Schmarotzer das Haus einrennen.«
    »Oder die Besitzer stünden vor der Tür.«
    »Wir reden von etwas, das fünfzig Jahre zurückliegt, ist dir das klar?«
    »Besitzer von Instrumenten haben mehr oder weniger direkte Nachkommen.«
    »Denen die Geige scheißegal sein dürfte.«
    »Hast du sie gefragt?«
    Dein Ton wurde zunehmend scharf, und ich fühlte mich angegriffen und gekränkt, denn die Schärfe deines Tons warf mir einen Fehler vor, dessen ich mir bis dahin nicht bewusst gewesen war: den schrecklichen Fehler, Sohn meines Vaters zu sein. Zudem veränderte sich deine Stimme, sie klang rauer, wie immer, wenn du über deine Familie oder die Schoah sprachst, oder wenn von Onkel Chaim Rede war.
    »Ich werde nichts unternehmen, ehe ich nicht weiß, ob du mir die Wahrheit sagst. Wo hast du das alles her?«
    Seit einer halben Stunde saß Tito Carbonell in seinem Auto an der Straßenecke und wartete. Er sah seinen Onkel aus dem Haus kommen und den Carrer València entlang in Richtung Universität gehen; sein deutlich gelichtetes Haar, die Aktentasche in der Hand. Tito hörte auf, mit den Fingern aufs Lenkrad zu trommeln. Die Stimme hinter ihm sagte, hat auch bald eine Glatze, der Ardèvol. Tito würdigte die Bemerkung keiner Antwort und blickte nur auf seine Armbanduhr. Die Stimme hinter ihm sagte, sie kommt bestimmt gleich, immer mit der Ruhe, als sich ein Polizist zum Fahrerfenster hinunterbeugte, grüßend an die Mütze tippte und sagte, meine Herren, Sie können hier nicht parken.
    »Die Person, auf die wir … Da ist sie schon«, sagte Tito aufs Geratewohl.
    Er stieg aus, und die Aufmerksamkeit des Polizisten wurde von einem Coca-Cola-Lieferanten in Anspruch genommen, der sich anschickte, seinen Lastwagen zu entladen, obwohl dieser einen halben Meter in den Carrer de Llúria hineinragte. Tito setzte sich wieder ins Auto, und als er Caterina aus der Tür kommen sah, sagte er fröhlich, das ist die besagte Caterina Fargues. Von hinten kam keine Reaktion. Es dauerte

Weitere Kostenlose Bücher