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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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Adrià Ardèvol erkannte schon nach fünf Minuten, dass dieser Mann von Tuten und Blasen keine Ahnung hatte.
    Im Fachbereich Musikwissenschaften informierte ihn Dr. Casals ausführlich über die verschiedenen Instrumentenbauersippen von Cremona und empfahl ihm einen Geigenbauer, der ein zugänglicher Mensch und eine echte Kapazität für historische Geigen sei. Und du kannst ihm trauen, Ardèvol. Und dann stellte er die Frage, die ihm auf der Zunge lag, seit sie den Geigenkasten geöffnet hatten: Darf ich sie mal probieren?
    »Spielst du auch Geige?«
    Im Korridor blieben vier Studenten stehen, als aus einem der Zimmer eine zauberische, liebliche Musik drang. Dann legte Dr. Casals die Geige in den Kasten zurück und sagte, sie ist großartig, wie eine Guarneri, im Ernst.
    Adrià stellte den Geigenkasten im Büro seines Fachbereichs in eine Ecke und empfing zwei seiner Studenten, die ihre Note verbessern wollten. Und eine Studentin, die wissen wollte, warum er ihr nur eine Vier gegeben hatte, obwohl sie doch immer zum Unterricht erschienen sei. Immer? Na ja, fast immer. Ach, tatsächlich? Also, ein paarmal schon. Als das Mädchen wieder draußen war, kam Laura herein und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch. Sie war hübsch wie immer, und er sagte hallo, ohne ihr in die Augen zu sehen. Mit einer zerstreuten Handbewegung erwiderte sie seinen Gruß und schlug eine prall gefüllte Mappe mit Notizen oder zu korrigierenden Klausuren oder sonst etwas auf, das sie zu einem lustlosen Stöhnen veranlasste. Eine Weile saßen sie allein im Raum, jeder über seine Arbeit gebeugt. Zwei-, nein, dreimal schauten sie gleichzeitig auf, und ihre Blicke spielten zaghaft miteinander. Und beim vierten Mal fragte sie, wie geht es dir? Hatte sie je zuvor die Initiative ergriffen? Ich weiß es nicht mehr. Aber ich erinnere mich an das kleine Lächeln, mit dem sie die Frage stellte. Es war die unmissverständliche Ankündigung einer Waffenruhe.
    »Na ja, einigermaßen.«
    »Nicht so besonders?«
    »Nicht so besonders.«
    »Aber du bist doch ein Star.«
    »Du willst mich wohl auf die Schippe nehmen.«
    »Nein. Ich beneide dich. Und der halbe Fachbereich auch.«
    »Jetzt nimmst du mich wirklich auf die Schippe. Und dir, wie geht es dir?«
    »Na ja, einigermaßen.«
    Sie verstummten und lächelten sich an; jeder hing seinen Gedanken nach.
    »Schreibst du?«
    »Ja.«
    »Darf ich fragen, was?«
    »Ich überarbeite drei Vorträge.«
    Sie sah mich auffordernd an, und ich setzte gehorsam hinzu: über Llull, Vico und Berlin.
    »Uiuiui!«
    »Ja. Aber ich schreibe alles neu, weißt du, um ein Buch daraus zu machen. Nicht drei Essays, sondern …« Adrià machte eine vage Geste, ganz versunken in sein Thema. »Es muss eine Grundidee geben, die alle drei verbindet.«
    »Und hast du die schon gefunden?«
    »Vielleicht. Die historische Zukunft. Aber ich bin mir nicht sicher.«
    Laura ordnete Papiere, wie sie es immer tat, wenn sie nachdachte.
    »Ist das die berühmte Geige?«, fragte sie und zeigte mit dem Bleistift in die Ecke.
    »Berühmt?«
    »Berühmt.«
    »Ja.«
    »Lass sie um Himmels willen nicht hier.«
    »Keine Sorge, ich nehme sie mit in den Unterricht.«
    »Sag bloß, du hast vor, darauf zu spielen …«, sagte sie mit einem Lachen.
    »Aber nein.«
    Oder doch. Warum eigentlich nicht? Er entschloss sich blitzartig. Genau so, wie er Laura gefragt hatte, ob sie mit ihm nach Rom käme, um seine Anwältin zu spielen. Laura verleitete ihn, seinen Launen nachzugeben.
    Adrià Ardèvol besaß die Dreistigkeit, das zweite Vierteljahr Ideengeschichte und Ästhetik damit zu beginnen, dass er seinen Studenten die Partita Nummer 1 auf seiner Storioni vorspielte. Wahrscheinlich fielen die fünf unentschuldbaren Patzer keinem der fünfunddreißig Studenten auf, ebenso wenig wie der Moment, als er den Faden verlor und den Anfang von Tempo di Borea sogar improvisieren musste. Danach schloss er die Geige sorgfältig in ihrem Kasten ein, legte sie auf den Tisch und fragte, welche Verbindung, glaubt ihr, besteht zwischen dem künstlerischen Ausdruck und dem Denken. Und keiner wagte, darauf etwas zu sagen, denn jeder dachte bei sich, Mannomann, was weiß denn ich?
    »Stellt euch vor, wir befänden uns im Jahr siebzehnhundertzwanzig.«
    »Warum?«, fragte ein bärtiger junger Mann, der ganz hinten saß, weit weg von den anderen, als hätte er Angst, verseucht zu werden.
    »Das Jahr, in dem Bach das Stück komponiert hat, das ich euch eben so schlecht vorgespielt

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