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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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daraus ergäben, läge wieder bei uns. So sei es.
    Doktor Aribert Voigt strich unwillkürlich über seine Jackentasche. Pater Morlin sagte, am besten, Sie nehmen einen Zug nach Aleppo. Und fahren auch mit dem Zug weiter in die Türkei. Mit dem Taurus-Express.
    »Warum?«
    »Sie müssen Häfen und Flughäfen meiden. Und sollte der Schienenverkehr unterbrochen sein, was vorkommen kann, dann mieten Sie einen Wagen mit Chauffeur. Dollars wirken Wunder.«
    »Ich weiß mich schon zu bewegen.«
    »Das bezweifle ich. Sie sind mit dem Flugzeug gekommen.«
    »Aber es war absolut sicher.«
    »Es ist nie absolut sicher. Immerhin hat man Sie eine Weile aufgehalten.«
    »Sie glauben doch nicht etwa, dass man mir gefolgt ist?«
    »Das haben meine Leute schon zu verhindern gewusst. Und mich haben Sie nie gesehen.«
    »Ich würde Sie selbstverständlich niemals in Gefahr bringen, Monsieur Duhamel. Ich bin Ihnen unendlich dankbar.«
    Erst in diesem Moment, als hätte er es beinahe vergessen, löste er seinen Hosengurt, eine Art Stoffschlauch, in dem er mehrere kleine Objekte verbarg. Er brachte ein winziges schwarzes Säckchen zum Vorschein und reichte es Morlin. Der entknotete die Schnur, mit der es zugebunden war. Drei tropfenförmige Diamanten, in deren tausend Facetten sich das Licht der zwölf Kerzen brach und vervielfältigte. Morlin ließ den kleinen Beutel in den Falten seiner Jelaba verschwinden, während Doktor Voigt seinen Gürtel wieder festzog.
    »Gute Nacht, Monsieur Zimmermann. Ab sechs Uhr morgens fahren schon Züge nach Norden.«
    »Scheißhitze«, sagte Senyor Berenguer, stand auf und drehte den Ventilator, sodass er mehr Luft abbekam.
    Adrià erinnerte sich, wie er hinter dem Sofa gekauert und gelauscht hatte, als Senyor Berenguer seinen Vater bedrohte, und sagte leise, Senyor Berenguer, ich bin der rechtmäßige Eigentümer der Geige. Und wenn diese Leute vor Gericht gehen wollen, mögen sie das tun, aber ich kann sie nur warnen, denn in diesem Fall werde ich mich auf die Hinterbeine stellen, und Sie werden das Nachsehen haben.
    »Wie du willst. Du bist vom gleichen Schlag wie deine Mutter.«
    Das hatte mir noch nie jemand gesagt. Und ich habe es damals auch nicht geglaubt. Vielmehr verabscheute ich diesen Mann, weil er schuld an meinem Streit mit Sara war. Meinetwegen konnte er ruhig Unsinn reden.
    Ich erhob mich, denn um glaubwürdig zu erscheinen, musste ich Härte zeigen. Doch kaum stand ich, bereute ich auch schon, was ich gesagt hatte und wie ich die Sache angegangen war. Senyor Berenguer sah mich allerdings so belustigt an, dass ich nicht anders konnte, als vorwärtszupreschen, auch wenn mich die Angst gepackt hatte.
    »Meine Mutter sollten Sie lieber aus dem Spiel lassen. Soweit ich weiß, hatte sie Sie fest an der Kandare.«
    Ich ging langsam in Richtung Tür und fühlte mich ein bisschen idiotisch. Was hatte ich mit diesem Besuch gewonnen? Ich war kein Stück weitergekommen. Ich hatte lediglich eine Kriegserklärung abgegeben und wusste nicht einmal, ob ich überhaupt Lust auf diesen Krieg hatte. Doch Senyor Berenguer, der hinter mir her ging, leistete mir Hilfestellung.
    »Deine Mutter war ein ausgemachtes Miststück, das mir das Leben zur Hölle machen wollte. An dem Tag, als sie starb, habe ich eine Flasche Champagner von Veuve Clicquot geöffnet.« Ich spürte Senyor Berenguers Atem im Nacken, während wir uns auf die Tür zu bewegten. »Ich trinke jeden Tag ein Schlückchen. Er perlt schon längst nicht mehr, aber so zwinge ich mich, täglich einmal an Senyora Ardèvol zu denken, dieses bbeschissene verfluchte Drecksluder.« Er seufzte auf. »Wenn ich den letzten Tropfen getrunken habe, kann ich in Frieden sterben.«
    Schon an der Tür, stellte sich ihm Senyor Berenguer in den Weg und machte noch einmal die Geste des Trinkens.
    »Jeden Tag, gluck! und runter damit. Um zu feiern, dass die alte Ziege tot ist und ich noch am Leben bin. Du wirst einsehen müssen, Ardèvol, dass deine Frau ihre Meinung nicht ändern wird. Die Juden sind in gewissen Dingen sehr pingelig …«
    Er öffnete die Tür.
    »Mit deinem Vater konnte man vernünftig reden, und er ließ mir freie Hand, was dem Geschäft zugute kam. Deine Mutter war eine Unruhestifterin. Wie alle Frauen, aber mit einer ganz besonderen Bosheit … Und so trinke ich jeden Tag ein Schlückchen, gluck! und runter damit.«
    Adrià trat hinaus auf den Treppenabsatz und wandte den Kopf, um noch einen würdevollen letzten Satz zu sagen wie, diese

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