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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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Taschentuch.
    »Kollateralschäden.«
    »Jetzt bin ich es, der dich nicht versteht.«
    »1:1.«
    »Wie bitte?«
    »Eins zu eins.«
    »Wenn ein Oberst dem Abschlachten von Frauen und Kindern eines Dorfes nicht Einhalt gebietet«, erklärte Vico, »wird er bestraft.«
    »Und wenn er nur Männer abschlachtet, nicht?«, wandte sich Berlin spöttisch an seinen Kollegen, wobei er die Brille wieder aufsetzte.
    »Warum macht ihr es euch nicht gegenseitig, ihr Wichser?«
    »Dieser Knabe hat eine ausgeprägte sprachliche Vorliebe für die unteren Körperzonen«, bemerkte Llull verwundert.
    »Wer das Schwert nimmt, der soll durch das Schwert umkommen, Timothy«, gab Vico vorsichtshalber zu bedenken. Eigentlich wollte er noch hinzufügen, um welchen Vers des Matthäus-Evangelium es sich dabei handelte, doch fiel es ihm nicht ein, weil das alles schon so lange her war.
    »Lasst mich gefälligst in Ruhe, ihr vertrottelten Sesselfurzer!«
    »Morgen wird man dich hinrichten, Tim«, erinnerte ihn Llull.
    »168:1.«
    Und Timothys Erscheinung begann sich aufzulösen.
    »Was hat er gesagt? Hast du es verstanden.«
    »Ja. Einhundertachtundsechzig Doppelpunkt eins.«
    »Klingt nach Kabbalistik.«
    »Nein. Dieser Junge hat von der Kabbala nie etwas gehört.«
    »Einhundertachtundsechzig zu eins.«
    Llull, Vico, Berlin war ein hitziges Buch, schnell geschrieben, laugte mich aber dennoch völlig aus, denn jeden Tag, nach dem Aufstehen und vor dem Schlafengehen, öffnete ich Saras Schrank, und ihre Kleider waren alle noch da. So ist Schreiben sehr schwierig. Und eines Tages schrieb ich es zu Ende, was nicht heißt, dass es fertig gewesen wäre. Und Adrià hätte den ganzen Papierstoß am liebsten vom Balkon geworfen. Doch er murmelte nur, Sara, ubi es? Und nach ein paar stillen Minuten nahm er die Blätter, stapelte sie auf eine Ecke des Schreibtischs und sagte, ich gehe aus, Lola Xica, ohne zu bemerken, dass Caterina schon nicht mehr da war. Dann machte er sich auf den Weg zur Universität, dem idealen Ort, um auf andere Gedanken zu kommen.
    »Was treibst du?«
    Laura, die mit langen Schritten den Kreuzgang durchmaß, wandte sich um.
    »Ich überlege. Und du?«
    »Ich versuche, auf andere Gedanken zu kommen.«
    »Wie weit bist du mit deinem Buch?«
    »Gerade fertig geworden.«
    »Bravo!«, sagte sie erfreut.
    Sie ergriff seine beiden Hände, ließ sie jedoch sofort wieder los, als hätte sie sich verbrannt.
    »Aber ich hadere sehr mit mir. Es ist unmöglich, drei so starke Persönlichkeiten unter einen Hut zu bringen.«
    »Bist du nun fertig oder nicht?«
    »Na ja, schon. Aber jetzt muss ich noch einmal alles imZusammenhang lesen und werde auf viele Ungereimtheiten stoßen.«
    »Es ist also noch nicht fertig.«
    »Nein. Ich habe es niedergeschrieben. Jetzt muss ich es nur noch beenden. Und, ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob man es veröffentlichen kann.«
    »Kneif jetzt nicht den Schwanz ein, Feigling.«
    Laura lächelte mit diesem Blick, der ihn ein wenig durcheinanderbrachte. Vor allem, weil sie recht hatte, wenn sie ihn Feigling nannte.
    Zehn Tage später, Mitte Juli, sprach ihn Todó auf seine leutselige Art an: Was ist, Ardèvol, schreibst du nun dein Buch oder nicht? Sie blickten beide aus dem ersten Stock auf den sonnenbeschienenen Kreuzgang hinunter, in dem sich nur wenige Studenten aufhielten.
    Das Schreiben fällt mir schwer, weil Sara nicht da ist.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Na, wenn du es nicht weißt …«
    Sie ist weg. Wir haben uns wegen einer Scheißgeige gestritten.
    »Es will mir nicht gelingen, die Verbindung zwischen drei so … so …«
    »… so starken Persönlichkeiten, ja. Das ist die offizielle Version, die kennt jeder«, unterbrach ihn Todó.
    Lasst mir doch meine Ruhe, verdammt noch mal.
    »Offizielle Version? Woher wissen die Leute, dass ich schreibe …«
    »Du bist hier der Star, mein Lieber.«
    Schwätzer.
    Sie schwiegen eine Weile. Bei langen Gesprächen mit Ardèvol wurde immer viel geschwiegen, wie es hieß.
    »Llull, Vico, Berlin«, zitierte Todó, und seine Stimme kam von weit her.
    »Ja.«
    »Oha. Vico und Llull, das geht ja noch. Aber Berlin?«
    Nein, nein, bitte nicht, lass mich doch in Frieden, du Nervensäge.
    »Der Wille, durch Gelehrsamkeit Ordnung in die Welt zu bringen, das eint sie.«
    »Hey, das klingt interessant.«
    Deshalb mache ich es ja, du bescheuertes Arschloch; du bringst mich schon dazu, Kraftwörter zu benutzen.
    »Ich denke, ich habe noch eine Zeitlang damit zu tun, und ich weiß

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