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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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du?«
    »Nach dem alten System wäre ich im siebten.«
    »Alle Achtung.«
    »Wenn’s nach Vater ginge, müsste ich längst in der Virtuosenausbildung sein.«
    »Jeder hat sein eigenes Tempo.«
    »Mein Vater sagt, ich klemme mich nicht genügend dahinter.«
    »Und hat er recht?«
    »Also …, eigentlich nicht. Er hätte gern, dass ich … Wollen wir nicht lieber hier weitermachen?«
    »Was hätte Bernat denn gern?«
    »Dass ich ein Perlman wäre.«
    »Und wer bist du?«
    »Llorenç Plensa. Und das begreift mein Vater anscheinend nicht.«
    »Und deine Mutter?«
    »Die schon.«
    »Dein Vater ist ein sehr guter Mensch.«
    »Ich weiß. Ihr seid dicke Freunde.«
    »Davon abgesehen, ist er ein guter Mensch.«
    »Schön, mag ja sein. Aber er nervt.«
    »Was studierst du? Nur Geige?«
    »Ach was! Ich bin für Architektur eingeschrieben.«
    »Gut, oder?«
    »Nein.«
    »Und warum studierst du es dann?«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich Architektur studiere. Ich habe nur gesagt, dass ich dafür eingeschrieben bin.«
    »Und warum studierst du es nicht?«
    »Es ist die Bedingung, die mir mein Vater gestellt hat.« Und indem er Bernat nachäffte: »Damit du etwas hast, womit du später etwas anfangen kannst.«
    »Und was würdest du statt Architektur gern studieren?«
    »Ich möchte Lehrer werden.«
    »Wie schön.«
    »Ach ja? Dann sag das mal meinem Vater!«
    »Hat er etwas dagegen einzuwenden?«
    »Es ist zu gering für seinen Sohn. Er will, dass aus mir der beste Geiger der Welt oder der beste Architekt oder der beste was-weiß-ich-was wird. Das macht einen fix und fertig.«
    Eine Weile herrschte Schweigen. Adrià krallte die Finger um die Maus, die sich nicht beklagen konnte. Als er sich dessen bewusst wurde, ließ er sie los. Er musste tief Luft holen, um sich wieder zu fassen.
    »Und warum sagst du ihm nicht, dass du Lehrer werden willst?«
    »Das hab ich ihm schon gesagt.«
    »Und?«
    »Lehrer? Lehrer, du? Mein Sohn, Lehrer?«
    »Was ist denn los? Was hast du gegen Lehrer?«
    »Nichts, was soll ich gegen sie haben? Aber kannst du nicht Ingenieur oder so was werden?«
    »Ich möchte Kindern lesen und schreiben beibringen. Und rechnen. Das fände ich schön.«
    »Ich auch.« Tecla sah ihren Mann herausfordernd an.
    »Ich nicht.« Bernat fuhr sich mit der Serviette über den Mund, legte sie auf den Tisch, und während er ernst auf seinen leeren Teller blickte, sagte er, das Leben eines Lehrers ist sehr anstrengend, man hat viel Ärger und verdient wenig. Er schüttelte den Kopf. »Das ist gar keine gute Idee.«
    »Aber mir gefällt es.«
    »Mir nicht.«
    »Na, hör mal, es geht um das Studium des Jungen, nicht um dich, okay?«
    »Schon gut, schon gut …, macht, was ihr wollt. Das tut ihr doch sowieso.«
    »Was soll das heißen, das tun wir sowieso?«, ereiferte sich Tecla.
    »Nichts …, gar nichts.«
    »Nein, sag schon. Was tun wir gegen deinen Willen?«
    Llorenç stand auf, brachte seinen Teller in die Küche und schloss sich in seinem Zimmer ein, während Tecla und Bernat weiter die Streitäxte wetzten, weil du gesagt hast, ich würde immer machen, was ich will, und das ist nicht wahr. Nie und nimmer!
    »Aber du hast dich schließlich für Architektur eingeschrieben«, bemerkte Adrià.
    »Können wir nicht von etwas anderem reden?«
    »Du hast recht. Also los, was kann ich mit diesem Apparat sonst noch anstellen?«
    »Möchtest du versuchen, einen Text zu schreiben?«
    »Nein. Vielleicht ist es auch genug für heute …«
    »Schreib einen Satz, und wir speichern ihn wie ein wichtiges Dokument.«
    »Na, gut. Weißt du, dass du das Zeug zum Lehrer hast?«
    »Erklär das mal meinem Vater.«
    Adrià tippte Llorenç Plensa lehrt mich, mit diesem Ding umzugehen. Wer wird zuerst die Geduld verlieren, er oder ich? Oder womöglich der Mac?
    »Das ist ja schon fast ein Roman! Jetzt wirst du sehen, wie man es speichert, damit man es jederzeit wieder öffnen kann.«
    Während Adrià, Schritt für Schritt den Anweisungen seines geduldigen Lehrmeisters folgend, zum ersten Mal in seinem Leben ein Dokument speicherte, die Ordner schloss, den Rechner herunterfuhr und ausschaltete, sagte Llorenç, ich glaube, ich werde zu Hause ausziehen.
    »Tja …, das ist etwas, das …«
    »Sag aber meinem Vater nichts davon.«
    »Nein, nein. Aber zuerst musst du wissen, wohin.«
    »Ich ziehe in eine Wohngemeinschaft.«
    »Das muss fürchterlich sein. Und was wird aus der Geige, wenn du mit mehreren Leuten zusammenwohnst?«
    »Wieso?«
    »Die anderen

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