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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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ja, Tecla macht seit Monaten Andeutungen, dass sie eine Trennung in Erwägung zieht.«
    »Oje …«
    »Und Llorenç findet tausend Ausreden, um sich so wenig wie möglich zu Hause aufzuhalten.«
    »Das tut mir leid. Wie geht es Llorenç?«
    »Ich bewege mich wie auf Eiern, und obwohl Tecla immer wieder davon redet, alles hinzuschmeißen, legt sie eine Engelsgeduld an den Tag. Das nenne ich instabile Stabilität.«
    »Wie geht es Llorenç?«
    »Gut.«
    Schweigen. Das Läuten des Telefons störte anscheinend nur Bernat.
    Jetzt werde ich ihm sagen, dass Llorenç, mit dem ich in den letzten Tagen ja mehr Kontakt hätte, einen bedrückten Eindruck auf mich mache. Und Bernat wird sagen: Das ist normal bei ihm. Und ich: Nein, es ist deine Schuld, Bernat, weil du ohne sein Einverständnis über sein Leben bestimmst. Und Bernat in schneidendem Ton: Häng du dich da nicht rein. Und ich: Ich muss mich aber reinhängen. Er tut mir leid. Und Bernat, wobei er jede Silbe einzeln betonen wird: Es geht dich nichts an! Verstanden? Und ich: In Ordnung, aber er ist traurig. Er will Lehrer werden. Warum darf dein Sohn nicht werden, was er will? Und Bernat wird wütend aufspringen, als hätte ich unsere Storioni noch einmalverschenkt, und fluchend weggehen und nie wieder mit mir reden.
    »Was denkst du?«, fragte Bernat gespannt.
    »Dass … dass so etwas sehr gut vorbereitet sein will. Du musst dir die Zusage von zwanzig Leuten sichern. Und solltest dir einen Raum mit Platz für fünfundzwanzig suchen. Somit hast du garantiert volles Haus.«
    »Sehr schlau.«
    Sie schwiegen. Ich habe die Stirn, ihm zu sagen, dass mir das, was er schreibt, nicht gefällt, aber ich bin nicht fähig, mit ihm über Llorenç zu sprechen. Wieder schrillte das Telefon dazwischen. Adrià stand auf, nahm ab und legte wieder auf. Bernat enthielt sich jeglichen Kommentars. Adrià setzte sich und fuhr fort, als wäre nichts gewesen.
    »Du kannst keinen Ansturm erwarten. In Barcelona finden täglich, knapp gerechnet, achtzig bis hundert kulturelle Veranstaltungen statt. Abgesehen davon kennen die Leute dich als Musiker, nicht als Schriftsteller.«
    »Als Musiker kennt mich niemand, da bin ich nur eine der Geigen auf der Bühne. Als Schriftsteller bin ich der alleinige Verfasser von fünf Erzählbänden.«
    »Von denen insgesamt nicht einmal tausend Exemplare verkauft wurden.«
    » Plasma allein hat es auf fast tausend Stück gebracht.«
    »Du weißt schon, was ich meine.«
    »Du bist wie mein Verleger, immer sprichst du mir Mut zu.«
    »Wer wird die Sache moderieren?«
    »Carlota Garriga.«
    »Nicht schlecht.«
    »Nicht schlecht? Das ist genial. Sie ist ein Publikumsmagnet.«
    Als Bernat ging, hatte Adrià noch immer kein Wort über Llorenç verloren. Und Bernat nicht von der selbstmörderischen Präsentation seines literarischen Werks abgebracht. Bernat Plensa und seine schriftstellerische Laufbahn, würde auf den Einladungskarten stehen. Als hätte es auf diesen Moment gewartet, begann wieder das Telefon zu klingeln, und Adrià zuckte zusammen.
    Adrià beschloss, seinen Unterricht in Ideengeschichte und Ästhetik anders zu gestalten, und dazu bestellte er seine Studenten zu unüblichen Zeiten an ungewöhnliche Orte, beispielsweise in den Eingang der U-Bahn-Station. Oder an andere Orte, die nur einem Spinner wie Ardèvol einfallen konnten. Einmal hielt er seine Vorlesung im Park am Carrer de la Diputació, ohne sich von den vielen Spaziergängern stören zu lassen.
    »Passt jemandem der Termin nicht?«
    Drei Hände hoben sich.
    »Mit allen anderen kann ich demnach rechnen. Seid pünktlich.«
    »Und was werden wir machen?«
    »Zuhören. Und etwas dazu sagen, wenn euch danach ist.«
    »Aber worum wird es gehen?«
    »Dies an Ort und Stelle herauszufinden, ist Bestandteil der Lektion.«
    »Um wie viel Uhr sind wir fertig?«, erkundigte sich der blonde Junge in der Mitte, der Schwarm zweier Mädchen, die ihn hingerissen anstrahlten, weil er diese höchst bedeutsame Frage gestellt hatte.
    »Brauchen wir das für die Prüfung?« Das kam von dem Jungen mit dem Quäkerbart, der am Fenster saß und sich immer abseits hielt.
    »Müssen wir mitschreiben?«, wollte das Mädchen mit dem mächtigen Zopf wissen.
    Nachdem alle Zweifel ausgeräumt waren, beendete er die Stunde wie immer, indem er ihnen empfahl, Poesie zu lesen und ins Theater zu gehen.
    Bei seiner Rückkehr nach Hause fand er ein Telegramm von Johannes Kamenek vor, der ihn einlud, morgen einen Vortrag an der

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