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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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tätigen.«
    »Wie ein Aasgeier?«
    »Ja, Exzellenz. Und ich wäre Ihnen unendlich dankbar und würde mich mit noch viel wertvolleren Objekten als dieser punischen Terracottafigur erkenntlich zeigen, wenn Sie mir ein entsprechendes Dokument ausstellen ließen.«
    »Ein Katalonien der Spiritualität, der Dynamik und des Unternehmungsgeistes, von dem das übrige Spanien eine Menge wird lernen können.«
    »Ich bin nur ein Händler. Aber ich kann Freude verbreiten. Ja, genau, überallhin ohne Ausnahme, wie ein Diplomat. Nein, ich brauche mich vor keiner Gefahr zu fürchten, ich weiß immer, wo ich anrufen muss.«
    »Sozusagen der Bug des großen Schiffes, das aufbricht zu neuen Horizonten.«
    »Danke, Exzellenz.«
    »Mit Franco, unserem geliebten Caudillo, sind diese vormals finsteren, unheilvollen und nun in leuchtendem Morgenrot erstrahlenden Horizonte zum Greifen nah.«
    »Viva Franco.«
    »Bares ist mir lieber als Figürchen, Ardèvol.«
    »Abgemacht. Arriba España.« Und als er ein paar Wochen später bei Oberstleutnant Anselmo Taboada Izquierdo in dessen bücherlosem Büro saß: »Soll ich Seine Exzellenz, den Zivilgouverneur, anrufen?«
    Oberstleutnant Anselmo Taboada zögerte. Um ihm auf die Sprünge zu helfen, erinnerte ihn Fèlix Ardèvol, dass der General ebenfalls zu seinen besten Freunden zähle. Sagt Ihnen der Name Lorenzo jetzt immer noch nichts?
    Der Oberstleutnant brauchte nur kurz, höchstens eine Sekunde, bis er das Gesicht zu einem breiten Lächeln verzog und fragte, haben Sie Lorenzo gesagt? Aber nehmen Sie doch Platz, mein Freund, nehmen Sie Platz!
    »Ich sitze bereits.«
    Die Unterhaltung dauerte nur eine Viertelstunde. Nachdem er im Lauf der Verhandlung sein Lächeln eingebüßt hatte, musste Oberstleutnant Anselmo Taboada Izquierdo schließlich klein beigeben, und Fèlix Ardèvol hatte seine schriftliche Zusage über drei weitere Transaktionen plus einen Bonus zum Jahresende in Höhe von …
    »Genehmigt«, stieß Anselmo Taboada hervor, »genehmigt.«
    »Viva Franco.«
    »Viva.«
    »Und ich werde schweigen wie ein Grab, Oberstleutnant.«
    »Das rate ich Ihnen auch. Ihrer Gesundheit zuliebe, meine ich.«
    Den dürren Mann mit dem Regenschirm als Hut, der sich Abelardo nannte, sah er nie wieder; wahrscheinlich schmorte er wegen fachlicher Inkompetenz im Kerker. Ardèvol hingegen bewog die Kollegen seines neuen Freundes, einen Kommandanten und einen Hauptmann sowie einen Richter und drei Unternehmer, ihm ihr Erspartes anzuvertrauen, damit er es außer Landes schaffte und an einem sicheren Ort profitabler anlegte. Wie Max mir erzählte, widmete er sich dieser Tätigkeit wohl vier oder fünf Jahre lang, während des Krieges in Europa und auch noch danach, und machte sich eine stattliche Anzahl von Feinden beim Militär und unter den franquistischen Politikern, die über die Mittel für Finanzmanöververfügten. Vermutlich hing es mit den leidigen Gegenleistungen zusammen, dass er gegen vier oder fünf Professoren der Universität Anzeige erstattete.
    Was für ein Panorama, Liebste: Er kassierte alle und jeden ab und steckte das Geld in Objekte für den Laden oder Manuskripte für sich selbst … Anscheinend besaß er einen sechsten Sinn für Leute, die sich bereitwillig kaufen ließen oder so große Geheimnisse und so viel Angst hatten, dass er sie ausplündern konnte, ohne seinerseits Repressalien fürchten zu müssen. Max sagte, bei euch zu Hause sei man darüber bestens im Bilde gewesen, weil auch ein Onkel von euch, einer der Epsteins aus Mailand, unter den Opfern gewesen war. Den hatten Vaters Betrügereien dermaßen ins Verderben gestürzt, dass er Selbstmord beging. Alles das hat mein Vater getan, Sara. Mein Vater, der mein Vater war, Sara. Und meine Mutter fiel anscheinend aus allen Wolken. Es kostete den armen Max Überwindung, mir das alles zu erzählen, und er redete hastig und atemlos, um es endlich los zu sein. Und ich habe es mir nun auch von der Seele geschrieben, weil auch du ja nur einen Teil des Geheimnisses kanntest. Und am Ende sagte Max, und somit war der Tod deines Vater …
    »Was, Max?«
    »Bei uns zu Hause hieß es, Francos Polizei habe beide Augen zugedrückt, wenn jemand versucht hätte, ihm am Zeug zu flicken, was auch immer man gegen ihn vorbringen mochte.«
    Sie schwiegen eine Weile, tranken in kleinen Schlucken ihren Wein, blickten ins Leere und bereuten, dieses Gespräch angefangen zu haben.
    »Aber ich …«, sagte Adrià nach einer langen Pause.
    »Ja, natürlich.

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