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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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schnalzte er mit der Zunge, sagte, bedien dich, und begann zu erzählen, dass Fèlix Ardèvol sich über das Aussehen seines Kunden wunderte, was ich jetzt wiederum dir erzähle, denn Max sagte, darüber hättest auch du nur oberflächlich Bescheid gewusst. Du hast ein Recht auf Einzelheiten; darin besteht meine Sühne. Also fange ich damit an, dass Fèlix Ardèvol sich über das absonderliche Aussehen seines Kunden wunderte, denn der Mann war so spindeldürr, dass er mit seinem Hut aussah, als hätte er mitten im romantischen Garten des Ateneu einen Regenschirm aufgespannt.
    »Senyor Lorenzo?«
    »Ja«, sagte Fèlix Ardèvol. »Sie müssen Abelardo sein.«
    Der andere setzte sich schweigend. Er nahm den Hut abund legte ihn sacht auf den Tisch. Eine Amsel flog zwitschernd an den beiden Männer vorbei zu einer üppigeren Stelle des Gartens. Der dürre Mann sagte in tiefem Bass und sehr gekünsteltem Spanisch, mein Klient wird Ihnen das Paket noch heute hierher bringen. Eine halbe Stunde nachdem ich gegangen bin.
    »Gut. Ich habe Zeit.«
    »Wann reisen Sie ab?«
    »Morgen früh.«
    Am nächsten Morgen bestieg Fèlix Ardèvol, wie so oft, ein Flugzeug, mietete bei seiner Ankunft in Lyon, wie so oft, einen Wagen mit Chauffeur und war nach wenigen Stunden in Genf. Im Hôtel du Lac erwartete ihn derselbe spindeldürre Mann mit dem Akzent der bulgarischen Tiefebene und geleitete ihn nach oben in ein Zimmer. Dort händigte Fèlix Ardèvol dem Mann ein Paket aus, und dieser nahm seinen Hut ab, legte ihn sanft auf einen Stuhl, wickelte in aller Ruhe das Paket aus und brach das Sicherheitssiegel. Bedächtig zählte er die fünf Bündel Geldscheine durch. Auf einem Zettel notierte er Zwischensummen, addierte und übertrug die Resultate gewissenhaft in ein Büchlein. Sogar die Seriennummern der Banknoten schrieb er auf.
    »Von so viel Vertrauen kann einem ja übel werden«, knurrte Ardèvol ungeduldig. Der andere würdigte ihn keiner Antwort, ehe er seine Arbeit nicht beendet hatte.
    »Was sagten Sie?«, fragte er, während er das Geld in einen Koffer packte, das Büchlein einsteckte, die Notizzettel zerriss und die Fetzen in die Hosentasche stopfte.
    »Dass mir vor lauter Vertrauen übel ist.«
    »Ihre Sache.« Er stand auf, holte ein Päckchen aus dem Koffer, legte es auf den Tisch und schob es zu Ardèvol hinüber.
    »Das ist für Sie.«
    »Muss ich das jetzt zählen?«
    Der Mann lächelte, was aussah wie das Grinsen eines Totenschädels, nahm den Regenschirm vom Stuhl, setzte ihn sich als Hut auf den Kopf und sagte, wenn Sie sich ausruhenwollen, das Zimmer ist bis morgen bezahlt. Damit ging er, ohne sich umzuwenden oder zu verabschieden. Fèlix Ardèvol zählte sorgsam die Scheine und war mit sich und der Welt zufrieden.
    Dieser Vorgang wiederholte sich mit kleinen Variationen. Bald arbeitete Ardèvol mit weiteren Mittelsmännern, und die Geldpäckchen wurden immer größer. Und der Profit stieg. Zudem nutzte er die Reisen, um in Bibliotheken, Archiven und Lagern zu stöbern. Und eines Tages unterlief dem dürren Mann, der sich Abelardo nannte und mit selbstgefälliger Bassstimme ein gekünsteltes Spanisch sprach, eine Unachtsamkeit. Er ließ die Schnipsel seiner Berechnungen auf dem Tisch des Zimmers im Hôtel du Lac liegen, statt sie einzustecken. Und nachdem Fèlix Ardèvol auf einer Glasplatte das Puzzle zusammengesetzt hatte, konnte er auf der Rückseite des Papiers zwei Wörter lesen: Anselmo Taboada. Und darunter ein paar unleserliche Krakel. Anselmo Taboada. Anselmo Taboada.
    Fèlix Ardèvol brauchte zwei Monate, bis er diesem Namen ein Gesicht zuordnen konnte. Und an einem verregneten Dienstag stattete er dem Hauptquartier einen Besuch ab und wartete geduldig darauf, empfangen zu werden. Viel Zeit verging, in der er Uniformierte aller Dienstgrade vorbeigehen sah und unverständliche Gesprächsfetzen aufschnappte, bis man ihn in einen Raum rief, der doppelt so groß war wie sein Arbeitszimmer, aber kein einziges Buch enthielt. Hinter einem Schreibtisch saß Oberstleutnant Anselmo Taboada Izquierdo und blickte ihm mit einer gewissen Neugierde entgegen. Viva Franco. Viva. Ohne weitere Vorreden kamen sie zur Sache und führten eine aufschlussreiche und gewinnträchtige Unterredung.
    »Meinen Berechnungen nach ist dies die Summe, die ich Ihnen in die Schweiz geschickt habe«, sagte Fèlix und schob einen Zettel über den Tisch, wie der Mann, der sich Abelardo nannte, es mit den Geldpäckchen zu tun pflegte.
    »Ich weiß

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